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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Senat hielt daran fest, angeblich brauchte man sie, um Kraftwerke oder Tanklager zu bewachen, und einer der Innensenatoren wollte sie zu Beginn der Neunziger Jahre sogar für den Kampf gegen Hausbesetzer verwenden.«
    »Moment!«, unterbricht Berndorf, »die sollten gegen Hausbesetzer vorgehen, hast du das gerade gesagt?«
    »Das wollte diese Trottellumme von einem Innensenator, ja doch«, bestätigt Barbara Stein. »Was es heißt, Hilfspolizisten in einen solchen Einsatz zu schicken, kannst du besser beurteilen als ich. Noch schöner war, dass die Polizeireserve zu dieser Zeit immer fragwürdigere Leute angezogen hat, Schläger, andere Vorbestrafte und dann natürlich auch Neonazis und Mitglieder von Wehrsportgruppen, zweiundneunzig oder dreiundneunzig gab es einen richtigen Skandal deswegen, weil Angehörige der Polizeireserve einen schwunghaften Handel mit Schusswaffen aufgezogen hatten …«
    »Noch mal bitte«, sagt Berndorf, »Waffenhandel, ja?«
    »Ja doch«, sagt Barbara Stein, und ihre Stimme klingt ein wenig irritiert. »Du müsstest das bei uns im Archiv nachlesen können.«
    »Ich glaub dir ja, unbesehen glaube ich dir …« Sie plaudern noch ein wenig, dann wünscht er ihr ein schönes Diskutieren und sie ihm ein gutes Heimkommen, und der Anruf ist beendet. Für einen Augenblick muss er sich wieder orientieren, wo ist er hergekommen, wo will er hin? Die Straße vor ihm ist asphaltiert, wenn er zwischen den Bäumen hochblickt, sieht er einen Streifen Nachthimmel mit eiligen, vom Mond beschienenen Wolken. Unversehens ist er an einer Kreuzung angelangt, von der Straße zweigt rechts ein geschotterter Weg ab. Auch mit seinem soliden Schuhwerk verspricht das nachts kein besonderes Vergnügen, trotzdem nimmt er den Weg, allmählich ist er in Gang gekommen.
    Nach einer Weile erreicht er den Waldrand, unter ihm liegt das Luch, eine nebelverhangene Ebene. Etwas höher und rechts davon schimmern verschwommen die wenigen Lichter des Dorfes. Links sieht er eine kleine Anlage, ein Steinsockel mit einer Büste darauf, flankiert wird das Denkmal von zwei Sitzbänken. Er nähert sich dem Steinsockel, der Lichtstrahl der Taschenlampe tastet über abgeblätterten Kalkstein, die Büste darüber ist ein wenig besser erhalten, ein schmaler Kopf, eine Andeutung von Oberlippen- und Kinnbart, ein hoher Uniformkragen lässt an einen Offizier denken und an Preußens verblasste Gloria. Um den Schädel zieht sich etwas, das vielleicht einmal als Lorbeerkranz gedacht gewesen sein mag, ein Held also? Oder, noch schlimmer, ein dichtender Held?
    Morgen, denkt er, wird es ihm der Wirt des »Alten Zieten« erklären, vielleicht wäre auch auf der Wanderkarte ein Hinweis gewesen, und er hat nur nicht richtig hingesehen. Könnte er jetzt nicht eigentlich doch zu Bett gehen? Aber der Weg auf der Anhöhe ist angenehm zu gehen, denn wenn er geht, ist ihm nicht zu kalt, und aus dem Luch steigen die Geister auf und erzählen ihm von den Menschen, die hier gelebt haben, und von ihren Göttern, auch wenn ihre Sprache wendisch ist und er sie nicht verstehen kann. Noch am Hang, aber weiter unterhalb vom Weg, sieht er ein einzelnes erleuchtetes Fenster, als er genauer hinschaut, erkennt er auch die Umrisse des geduckten niedrigen Hauses, zu dem das Fenster gehört. Er bleibt stehen, ein erleuchtetes Fenster in der Nacht hat eine seltsame Anziehungskraft, es ist wie ein Tor zu einer geheimnisvollen neuen Welt, was tun sie dort, was reden sie? Ist es Brutus Finklin, ins nächste Manifest für die bevorstehende Weltrevolution vertieft? Oder doch eher die Haushälterin Maria beim Kartoffelschälen? Es muss Letzteres sein: Finklins Arbeitszimmer liegt auf der dem Luch zugewandten Seite.
    Lautlos gleitet ein schwarzer Schatten aus der Dunkelheit zu ihm her und schnüffelt an seinen Beinen. Wir kennen uns doch, denkt Berndorf und beugt sich zu dem Hund. »Hüten Sie mein Haus?«, hört er eine Männerstimme fragen. Er blickt auf, breitschultrig, die Schirmmütze tief in die Stirn gezogen, steht Brutus Finklin vor ihm. »Nett von Ihnen«, fährt Finklin fort, »aber genauso gut könnten Sie mir dabei Gesellschaft leisten und einen Schnaps mit mir trinken.«
    A uch in der zweiten Halbzeit hat die Borussia nichts mehr gerissen, das hat Harlass sich gleich gedacht. Das Zimmer in der Absteige, in der er sich als Dolf Patzert eingetragen hat, ist klein und hat einen rissigen Linoleumboden, außerdem ist das Bett durchgelegen. Aber gegenüber dem Bett ist ein

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