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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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die der Wind über den Himmel treibt. Sonst nichts. Das ist so in dieser Gegend. Das Fenster geht nach Norden, also kann er nur raten, wo die Sonne sein könnte, aber Mittag muss es wirklich bald werden. Er legt den Kopf zurück und schließt die Augen und atmet die Luft. Ich will raus hier, so geht es ihm durch den Kopf, aber ich kann nirgends hin. Also? Irgendwer muss mir helfen.
    Von links hört er Motorengeräusch. Erschrocken zieht er den Kopf zurück und wäre dabei um ein Haar ins Straucheln geraten. Was da von links kommt, ist ein Streifenwagen. Ein einzelner, ganz gemächlich, ohne Blaulicht. Er überlegt, ob er das Dachfenster wieder schließen soll … Nein, sagt er dann, wenn die Bullen sich das Haus angucken, sehen sie, dass sich da was bewegt … Während er das denkt, bollert von unten schon Hundegebell durchs Haus. Er stellt den Schemel zur Seite, schaut sich in der Dachkammer noch einmal um, kriecht in den Kniestock und zieht die Luke hinter sich zu. Dann ist nur noch Dunkelheit um ihn, er kauert auf allen vieren, und spürt seinen Herzschlag bis hinauf zum Hals.
    Und wenn die auch einen Hund dabeihaben? Dann wären sie mit einer Wanne gekommen. In einem normalen Streifenwagen haben sie keinen Hund dabei. Den müssten sie sonst in den Kofferraum sperren. Das machen die nicht mit ihren Hunden. Außerdem hätten sie dann auch einen Hausdurchsuchungsbefehl dabei, und wenn sie Regulskis Aktentasche finden, dann ist sowieso Feierabend.
    Er versucht, ob er etwas von dem hören kann, was unten im Haus vorgeht … Aber da ist nichts. Jedenfalls kein Krawall. Finklins Köter hat aufgehört zu bellen, und auch sonst brüllt oder schreit keiner herum. Vielleicht sitzen die da ganz freundlich im Salon oder in der Wohnküche und trinken einen Schnaps, und der Finklin sagt, nett, dass ihr gekommen seid, da oben unterm Dach hab ich einen, zum Wohl, den könntet ihr euch mal anschauen?
    Und wenn er doch über das Dach geht und runterspringt, irgendwie wird er aus der Hecke ja auch wieder rauskommen, oder vielleicht springt er auch über die Hecke weg und rennt zu dem Streifenwagen, und dann steckt der Zündschlüssel, und er ist erst mal weg?
    Schritte kommen die Treppe hoch. Bis er sich umgedreht hat und aus der Luke heraus ist und auf dem Dach, ist alles zu spät. Die Türe zur Kammer öffnet sich.
    »Und das hier«, hört er Finklin sagen, »das ist mein Gästezimmer, manchmal kommt ein alter Freund aus Berlin zu Besuch, ein Genosse, dass Sie es nur wissen … Ach, da sehe ich gerade, die Maria hat das Dachfenster offen gelassen!« Schwere Schritte nähern sich der Täfelung, hinter der Harlass kauert, dann wird das Dachfenster mit einem hörbaren Ruck zugedrückt.
    »Sie müssen mich nicht überzeugen«, sagt eine andere Männerstimme, »ich kenne Sie ja und glaube Ihnen gern, dass man bei Ihnen den Kerl nicht findet, den wir suchen, bei Ihnen am allerwenigsten!«
    »Das ist mir aber neu, dass mich die Polizei für besonders gesetzestreu hält«, antwortet Finklin.
    »Das müssen Sie nicht so eng sehen«, fährt die andere Stimme fort, »ich kann es Ihnen ja im Vertrauen sagen – bei allem, was wir wissen, muss der Kerl irgendwo bei einer braunen Kameradschaft untergekrochen sein, sollen die in Berlin doch eine ordentliche Belohnung ausloben, dann wird ihn schon einer verpfeifen. Es ist ja auch völlig schleierhaft, was dieser Kerl bei uns zu suchen hat. Angeblich ist er in der Bahnhofsgaststätte in Rathenow gesehen worden, am Montag um zwei Uhr, kurz vor der Abfahrt der Regionalbahn hierher. Wenn man alles glauben wollte, was die Bahn einem so erzählt, dann gäbe es überhaupt keinen verspäteten Zug, im Leben nicht! Und jetzt müssen wir wegen der Bahn alle Anrainer hier belästigen.«
    »Wenn es der Wahrheitsfindung dient!«, hört man jetzt Finklins Stimme. »Und von Belästigung kann keine Rede sein!« Schritte entfernen sich, die Türe wird zugezogen, aber nicht abgeschlossen, und Harlass kann nicht länger auf allen vieren kauern und streckt sich platt auf dem Bretterboden aus.
    J oseph Delano Wilson heißt nach seinem Vater so, den er nie gesehen und der auch keine Alimente für ihn gezahlt hat. Im Lauf der Jahrzehnte – in denen er ein großer kräftiger Kerl wurde – hat er seinen Namen in Jo Wilson zusammengefasst, in Häuserkämpfen und bei den Demonstrationen in Gorleben und Wackersdorf seinen Buckel hingehalten, war in den Neunziger Jahren so etwas wie ein Pressesprecher linker

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