Berndorf, Jacques (Hrsg)
und du begannst dir auszumalen, was du ihr alles antun würdest und dann ihm.
Vier Uhr nachmittags, freitags gehen die meisten etwas früher, du taxierst sie mit einem strafenden Blick über den Brillenrand, sie grinsen nur frech. Der Eichenberger tritt an dein Pult heran, gibt dir einen weiteren Stapel Akten und murmelt: »Tut mir leid, das muss heute noch raus.« Du vertiefst dich darin, und dann merkst du, dass ihr plötzlich allein im Büro seid, die Moni eilt gerade aus der Tür. Der Eichenberger steht vor dir, er ist rot im Gesicht und schwitzt, wahrscheinlich wegen ihr, und dich packt wieder diese Wut.
»Ich habe Ihre Mail gelesen«, fängt der Eichenberger an, und du springst auf, das Herz trommelt dir gegen die Rippen. »Wissen Sie, Frau Scholz, Rita ... wie soll ich bloß anfangen ...« Die eine Hand hat er in der Jackentasche vergraben, verkrampft, als halte er sich an seinem Schlüsselbund fest. »Ich ... also wir ... ich meine die Moni und ich ...«
Nicht die! Du willst diesen Namen nicht hören, du weißt nur zu gut, was jetzt kommt.
»Wir haben zusammen ...« Die angestaute Wut fährt wie ein gleißender Blitz durch dich hindurch. Fünfundzwanzig Jahre lang warst du nur die Sekretärin, die ewige Zweite, fünfundzwanzig Jahre lang bist du zu Kreuze gekrochen, hast freiwillig Überstunden gemacht, hast dich geschminkt und zurecht gemacht, Diät gehalten, Unsummen für Kleider und Frisör ausgegeben, und endlich hat es sich gelohnt, endlich, du hattest das Ziel fast erreicht, und dann kommt diese Moni! Dieses Flittchen! Du denkst nichts mehr, da ist nur noch die blanke Wut, der jahrelange Frust. Du packst das erste, was dir in die Hände gerät, den marmorweißen Briefbeschwerer, und lässt ihn mit aller Kraft auf seinen Schädel niedersausen.
Wie benommen bleibst du stehen, seinen verblüfften letzten Blick noch vor Augen, dein Kleid ist voller Blut und eitergelber Hirnmasse, das Taj Mahal zerbrochen neben dem Eichenberger.
Und plötzlich sind da flackernde Kerzen. Moni steht in der Tür, die ganze Belegschaft hinter ihr, alle tragen alberne bunte Hütchen und rote Pappnasen, eine Riesentorte fällt wie in Zeitlupe zu Boden, in den hinteren Reihen wird noch nichts ahnend ein Spruchband in die Höhe gehalten,
25 Jahre Frau Scholz
, steht darauf, und dann beginnt jemand zu schreien. Du blickst nochmals zum Eichenberger, und jetzt erst siehst du, dass er etwas in seiner verkrampften Hand hält, eine Schachtel ist es, dunkelblauer Filz, goldenes Band, du erkennst den Juwelier, ohne dass du die Aufschrift lesen musst.
Der Rehrücken, die Tiefkühltruhe, mein Schwiegervater und ich
von Theo Pointner
Kann etwas Positives dahinter stecken, wenn an einem Samstagmorgen um halb vier plötzlich ein wildes Klopfen von der Haustür durch das Haus dröhnt? Und zwar in einer Lautstärke, die Tote lebendig werden lässt?
Nun, nicht wirklich. Ich habe an und für sich einen festen Schlaf, aber dieses erdbebenartige Getöse lässt mich erschrocken hochfahren. Ein, zwei Sekunden brauche ich, um mich zu orientieren. Ich liege im Wohnzimmer auf der Couch, das geblümte Kissen – ein Geschenk von Tante Hedwig zu unserer Verlobung – zusammengeknüllt unter den Kopf geschoben. Der Fernseher speit flimmernde Bilder in die Stube, gestern muss ich wohl, während der vierzehnten Wiederholung eines Westerns mit Clint Eastwood, unvermutet eingeschlafen sein. Nun, der Western ist längst vorbei, dafür läuft jetzt die Wiederholung einer dieser Renovierungs- und Einrichtungsshows.
Ein weiteres Mal fahre ich erschrocken zusammen, nicht nur wegen der neuerlichen Klopfattacke an der Haustür, sondern ob der Tatsache, dass ich vergessen habe, für Tina den Videorekorder zu programmieren. Sie liebt diese Shows, überfällt mich nach jeder ausgestrahlten Folge mit neuen Ideen, wie sie unser altes Fachwerkhaus umdekorieren möchte. Na ja, solange sie nicht auf die Idee kommt, unsere Gästetoilette in eine Tiefgarage zu verwandeln, soll es mir recht sein.
Endlich bin ich soweit erwacht, dass ich die langen Beine mühsam von dem Sofa nehmen und mich ächzend erheben kann. Mir tut jeder Knochen im Leib weh. Während ich langsam auf die Haustür zustolpere, dehne und strecke ich meinen Körper, um die verkrampften Muskeln aufzulockern. Ich öffne die Tür in dem Moment, in dem eine neue Serie Klopfzeichen beginnt.
»Morgen, Vater«, sage ich überrascht, als ich im nebligen Halbdämmerlicht die Gestalt, die für die
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