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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel
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ich das. Und eine Käserei habt ihr?«
    »Ja, eine richtige gute Käserei. Die macht meine Mutter. Zweihundert Laibe pro Woche, jede Geschmacksrichtung. Alter Käse, neuer Käse, Käse mit grünem Pfeffer, Käse mit Bärlauch, sogar Käse mit Kümmel. Und sie wird richtig wohlhabend dabei.«
    »Wie schön«, sagte er. »Drei Zugmaschinen, wieso drei?«
    »Braucht man einfach. Von sechzig PS bis sechshundert. Es fehlt an nichts. Aber das musst du doch eigentlich als Sohn eines Schweinezüchters kennen.«
    »Oh ja, natürlich. Bloß: dieser Maschinenpark ist ja fast unheimlich. Da wird man als Kerl ja richtig wieder kleiner Junge.«
    »Wie schön!« sagte sie. »Das hast du richtig hübsch gesagt.«
    »Und diese Scheunen. Riesig. Und gleich drei davon.«
    »Ja, die auf der rechten Seite ist ganz besonders alt. Und es ist meine Lieblingsscheune. Da habe ich als kleines Kind immer oben im Heu gesessen und mit Minka gespielt. Minka war meine Katze, alles meine Katzen hießen Minka. Es war so schön, es roch so schön. Und jetzt habe ich für die Scheunenspiele keine Zeit mehr. Weißt du, ich machte es so, dass ich von hinten an die Scheune ging. Da stand immer eine Leiter. Und ich dachte: Niemand weiß, wo ich bin, niemand sieht mich, niemand kann mir folgen. Aber meine Eltern wussten ganz genau, wo ich war. Sie hatten mir schließlich die Leiter da hingestellt. Guck mal da, das ist meine Leiter. Komm, wir steigen hoch, und ich zeige dir mein Traumreich.« Sie begann, die Leiter hochzusteigen, und er sah ihr nach, und er sah unter ihren Rock, und ihm wurde ganz schwindelig, bis er hinter ihr hochstieg.
    Dann lagen sie im Heu, dann waren sie sehr gierig, dann ging es ihnen nicht schnell genug. Ihr Atem vermischte sich, und ihre Gier machte sie wild.
    »Hey!« sagte sie hell, als er in die eindringen wollte. »Langsam, mein Lieber, nicht so hastig, mein Lieber, nimm Rücksicht auf eine alte Frau.«
    »Ich bin ganz langsam und ganz vorsichtig, bis ich dir alles geben kann, was ich habe. Und alles soll dir gehören bis zum letzten Atemzug.«
    »Nicht so dramatisch!« sagte sie plötzlich mit einer ganz metallen klingenden, scharfen Stimme. »Ach, Thomaslein, du mein liebes Thomaslein. Elektroinstallateur, ja?«
    »Ja?« fragte er dagegen, und er hörte sich an, als habe er keine Zeit mehr.
    »Du bist ein Hilfsarbeiter, nicht wahr? Und du bist arbeitslos, nicht wahr? Und du lebst auf Hartz vier, nicht wahr?«
    »Häh?« machte er, weil ihm nicht anderes einfiel.
    »Hast du denn deiner Frau auch gesagt, wo du heute Abend bist? Hast du ihr von mir erzählt? Und von dem Spaß, den wir beide miteinander hatten?«
    Er sagte nicht mehr »Häh!«, er sagte gar nichts mehr.
    »Und du bist auch nicht aus dem Münsterland gekommen. Du kommst aus Wanne-Eickel, und du bist schon seit vier Jahren arbeitslos, und dein Vater ist auch kein Schweinezüchter. Der ist nicht einmal Bauer, der ist Maurer. Warum nutzt du Menschen so aus? Findest du nicht, dass du ein Schwein bist?«
    Er sagte nichts mehr, er konnte nichts mehr sagen. Er atmete mühsam.
    Sie setzte sich hin. Sie setzte sich so, dass er vor ihr auf dem Heu saß, und sie legte ihm beide Hände auf die Schultern. Sie wiegte ihn vor und zurück, und er ließ das mit sich geschehen, weil er vollkommen überrascht war.
    Dann sagte sie hart und bösartig: »Und grüß mir bitte deine drei kleinen Kinder!«
    Mit beiden Füßen stieß sie ihn mit aller Gewalt vorwärts, und er rutschte auf der Heubahn ganz schnell bis zur Kante, verschwand dann, stieß einen gar nicht mal lauten Schrei aus, bis es platschte.
    Stille.
    Als die Mordkommission eintraf, als Kischkewitz aus dem Auto stieg und stinksauer war, weil dieser unbekannte Tote nach allen Sorten von Scheiße roch und außerdem hoch oben am Fahnenmast aus Aluminium hing, stellte man sich im Dorf die Frage: Wer ist das? Warum hängt der da oben? Und warum stinkt der so gewaltig?
    »Also, junge Frau«, murmelte Kischkewitz. »Wieso hängt der am Mast?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Gerlinde brav. »Ich habe den mal flüchtig getroffen, weil man hier in der Eifel schließlich jeden mal flüchtig trifft. Der muss jedenfalls – also meine Eltern und ich denken das so – in der Scheune da drüben vom Heuboden gefallen sein. Und – Platsch – genau in die alte Jauchegrube, die wir immer noch benutzen. Aber wie der dann aus der Scheiße an den Fahnenmast von Papa gekommen ist, weiß ich nicht, kann ich nicht sagen. Fragen Sie doch mal

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