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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Frotteekleid, das sie offengelassen hatte, und zündete sich eine Kippe an.
    «Ich suche Neumann», sagte ich und tat mein möglichstes, die zwei Kleiderhaken und den russischen Bojarenbart, die mir zur Liebe zur Schau gestellt wurden, nicht zur Kenntnis zu nehmen. Man brauchte die Frau bloß anzuschauen, und schon spürte man das Zwicken und Jucken der Syphilis in seinem Schwanz. «Ich bin ein Freund von ihm.» Die Nutte gähnte pikiert, und da sie zu dem Schluß gekommen war, ich hätte genug gesehen, ohne zu zahlen, schloß sie ihr Kleid und band die Kordel fest.
    «Biste 'n Greifer?» schniefte sie.
    «Wie ich schon sagte, ich bin ein Freund.» Sie kreuzte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Türrahmen.
    «Neumann hat keine Freunde», sagte sie, betrachtete ihre schmutzigen Fingernägel und darauf wieder mein Gesicht. Da war was dran. «Von mir abgesehen, vielleicht, und das nur, weil mir der kleene Spinner leid tut. Wennse ein Freund von ihm wären, würden se ihm sagen, er soll zum Arzt gehen. Er iss nich richtig im Koppe, wissense.»
    Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette und schnippte die Kippe an meiner Schulter vorbei.
    «Er ist nicht bekloppt», sagte ich. «Er hat bloß die Neigung, mit sich selber zu sprechen. Ein bißchen sonderbar, das ist alles.»
    « Wenn das nich bekloppt ist, dann weiß ich, verdammich noch mal, nich, wasser is.» Auch das war nicht ganz von der Hand zu weisen.
    «Wissen Sie, wann er zurückkommt? »
    Sie zuckte die Achseln. Eine Hand, nichts als blaue Adern und beringte Knöchel, packte meinen Schlips; sie versuchte schamhaft zu lächeln, doch es kam bloß eine Grimasse dabei heraus. «Vielleicht möchten Sie ja auf ihn warten », sagte sie. «Für zwanzig Mark kann man 'ne Menge Zeit kaufen.»
    Ich befreite meinen Schlips, zog meine Brieftasche heraus und schob ihr einen Fünfer in die Hand. «Würde ich gern. Wirklich. Aber ich muß weiter. Vielleicht könnten Sie Neumann ausrichten, daß ich nach ihm gefragt habe. Mein Name ist Gunther. Bernhard Gunther.»
    «Danke, Bernhard. Sie sind wirklich ein feiner Mann.» «Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte? » «Bernhard, da kann ich auch nur raten. Sie könn ihn von Pontius bis Pilatus verfolgen und werden ihn doch nich finden.» Sie zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. «Wenn er pleite is, hängt er vielleicht in der X-Bar oder bei Rücker rum. Wenn er Kies in der Tasche hat, wird er versuchen, in der Femina oder im Cafe Casanova was aufzureißen.» Ich begann die Treppe hinunterzusteigen. Sie folgte mir hinaus auf den Treppenabsatz und ein paar Stufen hinunter. Ich stieg mit einem Seufzer der Erleichterung in meinen Wagen. Es ist immer schwierig, von einer Nutte loszukommen. Sie sehen es niemals gern, wenn ihnen ein Geschäft durch die Lappen geht.
    Ich habe kein großes Vertrauen zu Experten; oder, was das betrifft, zu Zeugenaussagen. Im Lauf der Jahre bin ich zum Anhänger jener Ermittlungsmethode geworden, die auf gute altmodische Indizienbeweise baut. Etwa so: Ein Bursche hat es getan, weil er einer von der Sorte ist, die solch ein Ding auf alle Fälle dreht. Darauf setze ich und auf erhaltene Informationen.
    Wenn man sich ein Singvögelchen wie Neumann halten will, sind Vertrauen und Geduld notwendig; und so wie die erste dieser Voraussetzungen bei Neumann nicht von Natur aus vorhanden ist, so steht es bei mir mit der zweiten. Aber nur, wo es ihn betrifft. Neumann ist der beste Informant, den ich je hatte, und seine Tips sind in der Regel zutreffend. Ich würde jedes Risiko eingehen, um ihn zu schützen. Auf der anderen Seite bedeutet das nicht, daß man sich auf ihn verlassen kann. Wie alle Informanten würde er seine eigene Schwester an einen Mädchenhändler verkaufen. Es ist ein hartes Stück Arbeit, bis du einen solchen Mann so weit hast, daß er dir vertraut; aber du selbst kannst einem Informanten nicht mehr vertrauen als einem Mann. der behauptet, er werde in Hoppegarten das Sierstdorff-Hindernisrennen gewmnen.
    Ich fing mit der X-Bar an, einem illegalen Jazzclub, wo die Band amerikanische Hits zwischen den Anfangs- und Schlußakkorden jeder harmlosen und kulturell tragbaren arischen Nummer verpackte, die ihr Gefallen fand; und die Musiker machten ihre Sache so gut, daß kein Nazi ein schlechtes Gewissen bekam, er höre vielleicht sogenannte minderwertige Musik.
    Trotz seines zuweilen sonderbaren Benehmens war Neumann einer der nichtssagendsten, unscheinbarsten Menschen, die ich je

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