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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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burgundischen Krieger gingen einer nach dem anderen an der Bahre des toten Heiden vorbei. Und als Hagen, der Mörder, an die Reihe kam, begann aus Siegfrieds Wunden aufs neue Blut zu fließen. Auf diese Weise wurde Hagens Schuld enthüllt.»
    Haupthändler lächelte. «Das ist wohl kaum eine Methode moderner Kriminalistik, oder? »
    «Bei Nachforschungen sollte man auch auf die kleinen Zeremonien achten, Herr Haupthändler, auch wenn sie offensichtlich anachronistisch sind. Ihnen ist vielleicht aufgefallen, daß ich nicht der einzige Teilnehmer dieser Beerdigung war, der an einer Lösung dieses Falles Interesse hat.»
    «Nehmen Sie allen Ernstes an, einer der hier Anwesenden könnte Paul und Grete Pfarr getötet haben?»
    «Spielen Sie doch nicht den Spießbürger. Natürlich ist das möglich.»
    «Das ist absurd und nichts anderes. Wie auch immer, haben Sie schon jemanden für die Rolle Hagens im Auge? » «Ich denke noch darüber nach.»
    «Dann kann ich ja sicher sein, daß Sie in Kürze imstande sein werden, Herrn Six zu berichten, daß Sie Ihren Mann gefunden haben. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.»
    Eines mußte ich zugeben. Falls Haupthändler die Pfarrs getötet hatte, dann war an ihn so schwer ranzukommen wie an eine Schatztruhe, die fünfzig Faden unter der Wasseroberfläche lag.
    Ich fuhr über die Prenzlauer Straße zum Alexanderplatz. Ich holte meine Post und ging in mein Büro. Die Putzfrau hatte das Fenster aufgerissen, doch der Schnapsgestank war noch immer da. Sie muß gedacht haben, daß ich mich mit dem Zeug wasche.
    Ich fand ein paar Schecks, eine Rechnung und eine Nachricht von Neumann, die er selber gebracht hatte; ich sollte ihn um zwölf im Ca(e Kranz/er treffen. Ich sah auf meine Uhr. Es war kurz vor halb zwölf.

    Vor dem Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges spielte eine Blaskapelle, und eine Kompanie Reichswehr sorgte dafür, daß die Fußpflegebranche Kundschaft bekam. Manchmal glaube ich, daß es in Deutschland mehr Blaskapellen als Autos gibt. Diese Kapelle spielte den Kavalleriemarsch des Großen Kurfürsten und schwenkte in Richtung auf das Brandenburger Tor. Jeder, der zuschaute, betrieb Armgymnastik, also trödelte ich und blieb im Eingang eines Geschäftes stehen, um mich nicht daran beteiligen zu müssen.
    Ich ging weiter, folgte der Parade in diskretem Abstand und dachte über die jüngsten Veränderungen der berühmtesten Prachtstraße der Hauptstadt nach: Veränderungen, die die Regierung für notwendig hielt, um die Straße Unter den Linden für Militärparaden geeigneter zu machen. Nicht genug, daß man die meisten der Linden, die der Straße ihren Namen gegeben hatten, entfernt hatte, überdies waren weiße dorische Säulen errichtet worden, auf denen Adler thronten. Man hatte neue Linden gepflanzt, doch sie waren nicht mal so hoch wie die Straßenlaternen. Der Mittelstreifen war verbreitert worden, so daß Militärkolonnen in Zwölferreihen marschieren konnten; außerdem hatte man ihn mit rotem Sand bestreut, damit sie mit ihren Knobelbechern nicht ausrutschten. Und für die bevorstehende Olympiade waren hohe weiße Fahnenmasten aufgestellt worden. Die Straße Unter den Linden war immer pompös gewesen, ohne Ebenmaß in ihrer Mischung der Bauformen und Stile; aber was früher bombastisch gewirkt hatte, bekam jetzt einen brutalen Anstrich. Aus dem Schlapphut des Bohemiens war eine Pickelhaube geworden.
    Das Cafe Kranz/er an der Ecke Friedrichstraße war bei den Touristen beliebt, und entsprechend hoch waren die Preise. Darum hatte ich nicht erwartet, daß Neumann ausgerechnet dieses Cafe als Treffpunkt wählen würde. Ich fand ihn mißmutig über einer Tasse Mokka und einem halb verzehrten Stück Torte brütend.
    «Was ist los?» fragte ich und nahm Platz. «Ist Ihnen der Appetit vergangen? »
    Er zog eine Grimasse und deutete auf seinen Teller. «Genau wie diese Regierung », sagte er. «Sieht verdammt gut aus, aber es schmeckt nach absolut nichts. Lausiger SahneErsatz. » Ich winkte dem Kellner und bestellte zwei Kaffee.
    «Hören Sie, Herr Gunther, können wir's kurz machen?
    Ich will heute nachmittag rüber nach Karlshorst.» «So? Haben Sie einen Tip bekommen? »
    «Nun, um die Wahrheit zu sagen ... »
    Ich lachte. «Ich würde nicht auf ein Pferd setzen, daß Sie favorisieren, selbst wenn es den Hamburg-Expreß überholen könnte.»
    «Dann verpissen Sie sich!» fauchte er.
    Wenn er überhaupt ein Angehöriger der menschlichen Rasse war, dann gehörte

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