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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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arbeiten? Ich brauche jemanden als Assistenten, der in offiziellen Unterlagen buddelt und hin und wieder da ist. Ich glaube, das würde Ihnen zusagen. Ich würde Ihnen, sagen wir, sechzig Mark die Woche zahlen. Bar auf die Hand, dann brauchen wir das Arbeitsamt nicht zu informieren. Vielleicht mehr, wenn die Dinge sich entwickeln. Was sagen Sie? »
    « Nun, wenn Sie meinen ... » Sie zuckte die Achseln. « Das Geld könnte ich bestimmt gut gebrauchen.
    « Dann wäre das geregelt.» Ich dachte eine Minute nach. « Sie haben vermutlich immer noch ein paar Kontakte zu Zeitungen, zu Regierungsstellen ?» Sie nickte. « Kennen Sie zufällig jemanden bei der Deutschen Arbeitsfront? »
    Sie dachte eine Weile nach und spielte mit den Knöpfen ihrer Jacke. « Da war mal jemand», sagte sie nachdenklich. « Ein Ex-Freund, ein SA-Mann. Warum fragen Sie? »
    « Rufen Sie ihn an und bitten Sie ihn, Sie heute abend auszuführen.»
    « Aber ich habe ihn seit Monaten nicht gesehen oder gesprochen », sagte sie. « Und beim letzten Mal war es schwierig genug, ihn dazu zu bringen, mich in Ruhe zu lassen. Er ist eine echte Klette.» Ihre blauen Augen blickten mich besorgt all.
    «Ich will, daß Sie alles darüber rausfinden, was Six' Schwiegersohn, Paul Pfarr, so sehr interessierte, daß er mehrere Male in der Woche dort auftauchte. Außerdem hatte er eine Geliebte, also interessiert mich auch alles, was sie betrifft. Und ich meine, alles.»
    « Dann ziehe ich besser ein zweites Paar Schlüpfer an»,

    sagte sie. «Der hat Hände, voll denen er glaubt, sie hätten ihn zu einer guten Hebamme gemacht.» Sekundenlang verspürte ich einen Stich von Eifersucht, als ich mir vorstellte, wie er bei ihr herumfummelte. Vielleicht würde ich irgendwann einmal dasselbe tun.
    «Ich werde ihn bitten, mich in eine Revue zu führen», sagte sie und riß mich aus meinen erotischen Tagträumen. «Vielleicht mache ich ihn sogar ein bißchen betrunken.» «Keine schlechte Idee», sagte ich. « Und wenn das nicht klappt, bieten Sie dem Kerl Geld an.»
    11
    Das Zuchthaus Tegel im Nordwesten Berlins grenzt an einen kleinen See und an die Werkssiedlung der Firma Borsig. Als ich in die Seidelstraße einbog, schoben sich die roten Ziegelmauern ins Blickfeld wie die schlammigen Flanken eines hornhäutigen Dinosauriers. Und als das schwere Holztor hinter mir zukrachte und der blaue Himmel verschwand, als wäre er wie eine Lampe ausgeknipst worden, begann ich für die Insassen ein gewisses Mitgefühl zu empfinden, denn Tegel gilt als eines der härtesten Gefängnisse in Deutschland.
    Eine Menagerie von Wärtern lungerte am Haupteingang herum, und einer davon, ein Mann mit einem Mopsgesicht, der stark nach Karbolseife roch und ein Schlüsselbund von der Größe eines durchschnittlichen Autoreifens trug, führte mich durch ein kretisches Labyrinth schmutzig-gelber, gekachelter Gänge auf einen kleinen gepflasterten Hof, in dessen Mitte die Guillotine stand. Sie ist ein furchteinflößendes Gerät und jagt mir immer, wenn ich sie wiedersehe, einen Schauer über den Rücken. Seit die Partei an die Macht kam,

    ist sie ziemlich viel benutzt worden, und sie wurde auch im Augenblick gerade überprüft, ohne Zweifel im Zuge der Vorbereitungen für die zahlreichen Hinrichtungen, die, wie am Tor angeschlagen, für den frühen Morgen des folgenden Tages geplant waren.
    Der Wärter führte mich durch eine Eichentür und ein mit Teppichen ausgelegtes Treppenhaus in einen Flur. Am Ende des Flurs blieb er vor einer polierten Mahagonitür stehen und klopfte. Er wartete ein oder zwei Sekunden, und dann ließ er mich eintreten. Der Gefängnisdirektor, Dr. Konrad Spiedei, erhob sich hinter seinem Schreibtisch, um mich zu begrüßen. Es war mehrere Jahre her, seit ich zum ersten Mal seine Bekanntschaft gemacht hatte. Damals war er Direktor des Gefängnisses von Brauweiler in der Nähe von Köln gewesen, doch er hatte unsere Begegnung nicht vergessen: « Sie suchten nach Informationen über den Zellengenossen eines Gefangenen», erinnerte er sich und deutete einladend auf einen Lehnsessel. « Hatte was mit einem Bankraub zu tun.»
    « Sie haben ein gutes Gedächtnis, Doktor Spie del », sagte ich.
    « Ich gestehe, daß mein Gedächtnis nicht rein zufällig so gut funktioniert», sagte er. « Derselbe Mann sitzt jetzt hier wegen einer anderen Sache.» Spiedei war ein großer, breitschultriger Mann um die Fünfzig. Er trug einen Schillerkragen, eine olivgrüne Trachtenjacke, und die

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