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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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schwarz-weiße Schleife mit den gekreuzten Schwertern in seinem Knopfloch wies ihn als Kriegsveteranen aus.
    « Merkwürdigerweise führt mich ein ähnliches Anliegen her», erklärte ich. « Ich glaube, bis vor kurzem hatten Sie hier einen Gefangenen namens Kurt Mutschmann. Ich hoffe, Sie können mir etwas über ihn erzählen.»
    « Mutschmann, ja, ich erinnere mich an ihn. Was kann ich Ihnen schon sagen? Solange er hier war, hielt er sich aus allern raus und schien ein ganz vernünftiger Bursche zu sein.» SpiedeI stand auf, ging zu seinem Aktenschrank und durchstöberte verschiedene Ablagen. «Ja, da haben wir ihn. Mutschmann, Kurt Hermann, 37. Verurteilt wegen Autodiebstahls April 1934 zu zwei Jahren Gefängnis. Als Adresse ist angegeben Cicerostraße 29, Haiensee. »
    « Ging er nach seiner Entlassung dorthin? »
    «Da bin ich leider überfragt. Mutschmann hatte eine Frau, aber während seiner Haft scheint sie ihn nach unseren Unterlagen nur einmal besucht zu haben. Sieht nicht so aus, als ob es draußen viel gab, worauf er sich hätte freuen können.»
    «Hatte er andere Besucher?»
    SpiedeI blickte in die Akte. «Bloß den einen von der Vereinigung der Ex-Sträflinge. Eine Wohltätigkeitsorganisation, wie sie uns glauben machen will, obwohl ich an ihrer Echtheit meine Zweifel habe. Es war ein Mann namens Kaspar Tillessen. Er besuchte Mutschmann zweimal.»
    «Hatte Mutschmann einen Zellengenossen ? »
    «Ja, er saß mit Nummer 7888319, einem gewissen Bock, in einer Zelle.» Er zog eine andere Akte aus der Lade. «Hans Jürgen Bock, Alter 38. Schuldig gesprochen des tätlichen Angriffs und der Verkrüppelung eines Mitgliedes der früheren Stahlarbeitergewerkschaft im März 1930, verurteilt zu sechs Jahren Gefängnis.»
    «Glauben Sie, daß er ein Streikbrecher war? »
    «Ja.»
    «Sie haben nicht zufällig die näheren Umstände dieses Falles zur Hand? »
    SpiedeI schüttelte den Kopf. «Leider nicht. Die Akte ist ins Kriminalarchiv am Alex zurückgeschickt worden.» Er hielt inne. «Hm. Das könnte Ihnen vielleicht trotzdem helfen. Bei seiner Entlassung gaB Bock an, er werde unter dieser Adresse zu erreichen sein:
    17, Kreuzberg>. Nicht nur das, sondern eben dieser Kaspar Tillessen besuchte Bock im Auftrag der Vereinigung der ExSträflinge.» Er blickte mich fragend an. « Das ist leider alles.»
    «Ich denke, ich habe genug erfahren», sagte ich strahlend. «Es war freundlich von Ihnen, mir ein wenig von Ihrer Zeit zu schenken.»
    Spiedels Gesicht nahm den Ausdruck großen Ernstes an, und er sagte mit gewisser Feierlichkeit: «Mein Herr, es war mir ein Vergnügen, dem Manne zu helfen, der Gormann vor den Richter brachte.»
    Ich schätze, ich werde noch in zehn Jahren aus dieser Gormann-Sache Kapital schlagen können.
    Wenn ein Mann zwei Jahre lang im Knast sitzt und seine Frau besucht ihn in dieser Zeit nur ein einziges Mal, dann backt sie ihm keinen Biskuitkuchen, um seine Freiheit zu feiern. Doch es war denkbar, daß Mutschmann sie nach seiner Entlassung aufgesucht hatte, und sei es nur, um ihr eine Tracht Prügel zu verabreichen; also beschloß ich, sie auf jeden Fall zu überprüfen.
    Weder Mutschmann noch seine Frau wohnten noch unter der angegebenen Adresse in der Cicerostraße. Die Nachbarin, mit der ich sprach, erzählte mir, Frau Mutschmann hätte sich wieder verheiratet und wohne in der Ohmstraße in der Siemens-Werkssiedlung. Ich fragte sie, ob sich sonst noch jemand nach Frau Mutschmann erkundigt hätte, doch das verneinte sie.
    Es war mittlerweile halb acht, als ich zur Siemens-Werkssiedlung kam. Sie umfaßt nicht weniger als tausend Häuser, jedes aus denselben weißgetünchten Ziegeln errichtet, und bietet den Familien der Betriebsangehörigen der Siemens AG Unterkunft. Ich stellte es mir alles andere als angenehm vor, in einem Haus zu wohnen, das wie ein Stück Würfelzucker aussah; doch ich wußte, daß im Dritten Reich im Namen des Fortschritts vieles geschah, was schlimmer war als die Vereinheitlichung von Arbeiterhäusern.
    Als ich vor der Eingangstür stand, stieg mir der Geruch von gekochtem Schweinefleisch in die Nase, und mir wurde plötzlich bewußt, wie hungrig ich war und wie müde. Ich wäre gern zu Hause oder mit Inge in irgendeiner anspruchslosen, hirnlosen Revue gewesen. Ich wäre an jedem anderen Ort lieber gewesen als hier, wo ich einer hartgesichtigen, brünetten Frau gegenüberstand, die die Tür öffnete.
    « Frau Buverts?» fragte ich,

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