Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
eine Ahnung, wer er ist?» Ich krempelte einen Ärmel auf und langte in die Brennkammer. «Ja», sagte ich und tastete in der kalten Asche herum. Meine Finger berührten einen harten, langen Gegenstand. Ich zog ihn heraus und betrachtete ihn eingehend. Er war vom Feuer so gut wie unversehrt. Nicht die Art Holz, die leicht brennt. Am dickeren Ende war er gespalten, und ich erkannte ein zweites Bleigewicht und eine leere Fassung für jenes Gewicht, das ich oben im Eßzimmer auf dem Teppich gefunden hatte. «Sein Name war Gerhard von Greis, und er war ein erstklassiger Erpressungskünstler. Sieht so aus, als sei er ausgezahlt worden, für immer. Jemand hat ihm damit das Haar gekämmt.»
«Was ist das? »
«Ein Stück von einem zerbrochenen Billardstock», sagte ich und warf das Stück Holz wieder in den Ofen.
«Sollten wir nicht die Polizei verständigen? »
«Wir haben nicht die Zeit, den Burschen auf die Sprünge zu helfen. Jedenfalls nicht im Augenblick. Wir würden bloß den Rest des Wochenendes damit verbringen, blöde Fragen zu beantworten.» Ich dachte auch daran, daß ich das Honorar für ein paar weitere Tage gern von Göring kassieren würde, aber das behielt ich für mich.
« Was wird mit ihm - dem toten Mann? »
Ich warf einen Blick auf von Greis' madenbedeckten Leichnam und zuckte die Achseln. «Er hat's nicht eilig», sagte ich. «Außerdem würden Sie sich doch wohl nicht gern den Appetit verderben, oder?»
Wir sammelten die Papierschnipsel ein, die Inge aus der Brennkammer hatte retten können, und fuhren mit einem Taxi ins Büro zurück. Ich goß uns zwei große Cognacs ein. Inge trank den ihren dankbar und umfaßte ihr Glas mit beiden Händen wie ein kleines Kind, das gierig auf seine Limonade ist. Ich setzte mich auf die Armlehne ihres Sessels, legte meinen Arm um ihre zitternden Schultern und zog sie an mich. Von Greis' Tod beschleunigte unser wachsendes Verlangen, einander nahe zu sein.
«Ich fürchte, ich bin an Leichen nicht gewöhnt», sagte sie mit einem verlegenen Lächeln. «Am allerwenigsten an halb verweste, die unerwartet in Speisenaufzügen auftauchen.» «Ja, es muß ein ziemlicher Schock für Sie gewesen sein.
Tut mir leid, daß Sie das sehen mußten. Ich muß zugeben, er hat sich ein bißchen gehenlassen.»
Sie erschauerte leicht. «Es ist schwer zu glauben, daß das je etwas Menschliches war. Es sah so aus ... wie Gemüse; wie ein Sack verfaulter Kartoffeln.» Ich widerstand der Versuchung, eine weitere geschmacklose Bemerkung zu machen. Statt dessen ging ich zum Schreibtisch, breitete die Papierschnipsel aus Tillessens Küchenherd aus und überflog sie. Es waren meist Rechnungen, doch es gab einen Schnipsel, von den Flammen fast unversehrt, der mich lebhaft interessierte.
«Was ist das?» fragte Inge.
Ich hob das Stück Papier mit spitzen Fingern hoch. «Ein Lohnstreifen.» Sie stand auf und betrachtete den Fetzen genauer. «Aus einer Lohntüte der Reichsautobahn-Gesellschaft für einen ihrer Bauarbeiter.»
« Für wen? »
«Einen Burschen namens Hans Jürgen Bock. Bis vor kur zem war er im Knast, zusammen mit einem gewissen Kurt Mutschmann, einem Safeknacker. »
«Und Sie glauben, daß dieser Mutschmann vielleicht der Mann sein könnte, der den Safe der Pfarrs geöffnet hat, stimmt's? "
«Er und Bock waren Mitglieder im sei ben Ringverein, genauso wie der Besitzer der sogenannten Pension, die wir gerade besucht haben.»
«Aber wenn Bock zusammen mit Mutschmann und Tillessen in einem Ringverein ist, warum arbeitet er dann beim Autobahnbau ?»
«Das ist eine gute Frage", sagte ich achselzuckend und fügte hinzu: «Wer weiß, vielleicht versucht er, anständig zu werden. Egal, wir müssen mit ihm reden.»
«Vielleicht kann er uns sagen, wo wir Mutschmann finden können.» «Schon möglich.» «Und Tillessen.»
Ich schüttelte den Kopf. «TilIessen ist tot», erklärte ich. «Von Greis wurde getötet, erschlagen mit einem zerbrochenen Billardstock. Vor ein paar Tagen sah ich im Leichenschauhaus der Polizei, was mit der anderen Hälfte des Stocks passierte. Sie wurde Tillessen durch die Nase ins Hirn gerammt.» Inge zog eine gequälte Grimasse. «Aber woher wissen Sie, daß es Tillessen war? »
«Ich weiß es nicht sicher», gab ich zu. «Aber ich weiß, daß Mutschmann sich versteckt und daß es Tillessen war, den er wegen einer Bleibe aufsuchte, als er aus dem Knast kam. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Tillessen in seiner eigenen Pension eine Leiche hätte
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