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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Hitler diese Straßen baut, dann stellt er sich viel simpler dar: Es ist eine bequeme Möglichkeit, die Arbeitslosenzahlen zu senken. Ein Mann, der Unterstützung vom Staat bekommt, riskiert, sie zu verlieren, wenn er das Angebot ablehnt, an den Autobahnen zu arbeiten. Also nimmt er es an. Wer weiß, ob das nicht auch Bock so gegangen ist.»
    « Sie sollten hin und wieder mal einen Blick nach Neukölln und Wedding werfen», sagte sie.
    «Ja, natürlich, in diesen letzten Trutzburgen der KPD wissen sie alles über die miserablen Löhne und Arbeitsbedingungen an den Autobahnen. Ich schätze, eine Menge von denen glauben, daß es besser ist, überhaupt keine Stütze zu beantragen, als es zu riskieren, zum Autobahnbau geschickt zu werden.» Auf der neuen Königstraße fuhren wir nach Potsdam hinein.
    Potsdam: ein Schrein, wo die älteren Einwohner der Stadt für die ruhmreichen vergangenen Tage des Vaterlandes und ihrer Jugend die Kerzen anzünden; das stumme, abgeworfene Schneckenhaus des kaiserlichen Preußen. Der Ort, der eher französisch als deutsch wirkt, ist ein Museum, in dem die alte Sprechweise und Gedankenwelt ehrfürchtig aufbewahrt sind, wo der Konservativismus höchstes Gesetz ist und die Fensterscheiben ebenso sauber geputzt sind wie das Glas der Kaiserbilder.
    Ein paar Kilometer weiter, auf der Straße nach Lehnin, wich das Pittoreske mit einem Schlag dem Chaotischen. Wo sich früher eine der schönsten Landschaften außer halb Berlins befunden hatte, erblickte man jetzt Erdbewegungsmaschinen und das zerklüftete braune Tal des halb fertiggestellten Teilstücks der Autobahn Lehnin-Brandenburg. Bei einer Ansammlung von hölzernen Baracken und stillstehenden Baggern, näher bei Brandenburg, hielt ich an und fragte einen Arbeiter nach der Baracke des Vorarbeiters. Er deutete auf einen Mann, der nur ein paar Meter entfernt stand.
    « Wenn Sie was von ihm wollen, der da ist der Vorarbeiter.» Ich bedankte mich und parkte den Wagen. Wir stiegen aus.
    Der Vorarbeiter war ein stämmiger, rotgesichtiger Mann mittlerer Größe. Sein Bauch war größer als der einer Schwangeren kurz vor der Niederkunft: Er hing über den Rand seiner Hose wie der Rucksack eines Bergsteigers. Als wir näher kamen, drehte er uns das Gesicht zu, beinahe so, als mache er sich bereit, mit mir einen Boxkampf zu beginnen, zog sich die Hosen hoch, wischte sich mit der schaufelgroßen Hand über das stoppelige Kinn und verlagerte den größten Teil seines Gewichts auf sein Standbein.
    «Hallo, Sie», rief ich, ehe wir direkt vor ihm standen.

    «Sind Sie der Vorarbeiter?» Er sagte nichts. «Mein Name ist Gunther, Bernhard Gunther. Ich bin Privatdetektiv, und dies ist meine Assistentin, Fräulein Inge Lorenz.» Ich reichte ihm meinen Ausweis. Der Vorarbeiter nickte Inge zu und richtete seinen Blick wieder auf meinen Ausweis. Er kam mir fast so buchstabengläubig vor wie ein Affe.
    «Peter Welser», sagte er. «Was kann ich für euch tun, Leute? »
    «Ich möchte mit Herrn Bock sprechen. Ich hoffe, daß er uns helfen kann. Wir suchen nach einer vermißten Person.»
    WeIser kicherte und zog abermals seine Hosen hoch. «Du lieber Gott, das ist ja ein Witz.» Er schüttelte den Kopf und spuckte aus. «Allein in dieser Woche sind mir drei Arbeiter verschwunden. Vielleicht sollte ich Sie einstellen, damit Sie versuchen, sie zu finden, he?» Er lachte wieder.
    «War Bock einer davon?»
    «Guter Gott, nein», sagte WeIser. «Er ist ein verdammt guter Arbeiter. Ex-Sträfling, der versucht, ein ehrliches Leben zu führen. Ich hoffe, Sie machen ihm das nicht kaputt.» «Herr WeIser, ich will ihm bloß ein oder zwei Fragen stel-
    len.lch will ihm nicht an den Kragen und ihn nicht mit meiner Karre nach Tegel zurückbringen. Ist er jetzt da?»
    «Ja, er ist hier. Sehr wahrscheinlich in seiner Baracke. Ich bring Sie rüber.» Wir folgten ihm zu einer der zahlreichen langen, einstöckigen Holzbaracken, die man dort aufgeschlagen hatte, wo früher Wald gewesen war und bald Autobahn sein würde. Am Fuß der Barackentreppe drehte der Vorarbeiter sich um und sagte: «Sie sind ein bißehen rauhbeinig, diese Jungens. Vielleicht wär's besser, wenn die Dame nicht mit reinkommt. Sie müssen diese Männer nehmen, wie sie sind. Kann sein, daß einige nicht angezogen sind.»
    «Ich werde im Wagen warten, Bernie», sagte Inge. Ich warf ihr einen Blick zu und zuckte entschuldigend die Achseln, ehe ich Welser die Treppe hinauf folgte. Er schob den hölzernen Schnappriegel

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