Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
rumliegen lassen, wenn sich das irgendwie vermeiden ließ. Das letzte, was ich hörte, war, daß die Polizei die Leiche immer noch nicht endgültig identifiziert hat, also nehme ich an, daß es Tillessen gewesen sein muß.»
«Aber es könnte doch auch Mutschmann sein.»
« Das sehe ich nicht so. Vor zwei Tagen erzählte mir mein Informant, der Ringverein habe einen Killer auf Mutschmann angesetzt. Zu dieser Zeit hatte man die Leiche mit dem Billardstock in der Nase bereits aus dem Landwehrkanal gefischt. Nein, es kann nur Tillessen sein.»
« Und von Greis? War er auch Mitglied dieses Ringvereins ?»
« Diesem Ring gehörte er nicht an, sondern einem anderen, der um vieles mächtiger ist. Er arbeitete für GÖring. Ich kann mir trotzdem nicht erklären, was er dort zu suchen hatte.» Ich spülte meinen Mund ein wenig mit Cognac aus, als wäre er ein Mundwasser, und nachdem ich ihn runtergeschluckt hatte, nahm ich das Telefon und rief bei der Reichsautobahn-Gesellschaft an. Ich bekam einen Angestellten im Lohnbüro an die Strippe.
« Mein Name ist Rienacker», sagte ich. « Kriminalinspektor Rienacker, Gestapo. Wir versuchen den Aufenthaltsort eines Bauarbeiters namens Hans Jürgen Bock zu ermitteln, Lohnnummer 30-4-232564. Er kann uns unter Umständen helfen, einen Feind des Reichs zu fassen.»
« Ja », sagte der Angestellte unterwürfig. «Was möchten Sie wissen? »
« In erster Linie, an welchem Autobahnabschnitt er arbeitet. Und ob er heute auf der Baustelle ist oder nicht.»
« Wenn Sie bitte eine Minute warten wollen, ich werde in den Unterlagen nachsehen.» Einige Minuten verstrichen. «Ganz hübsche Nummer, die Sie da abziehen », sagte Inge.
Ich verdeckte das Telefon mit der Hand. « Ein tapferer Mann ist, wer sich weigert, einem Anrufer behilflich zu sein, der behauptet, von der Gestapo zu sein.»
Der Angestellte kam ans Telefon zurück und erzählte mir, daß Bock außerhalb von Groß-Berlin an einem Teilstück der Strecke Berlin-Hannover beschäftigt sei. «Um genau zu sein, am Abschnitt zwischen Lehnin und Brandenburg. Ich schlage vor, daß Sie das Baubüro aufsuchen. Von hier aus liegt es ein paar Kilometer vor Brandenburg, es sind etwa siebzig Kilometer zu fahren. Sie fahren nach Potsdam, dann nehmen Sie die Zeppelinstraße. Nach etwa vierzig Kilometern fahren Sie bei Lehnin auf die Autobahn.»
«Danke», sagte ich. «Und ist es wahrscheinlich, daß er heute arbeitet? »
«Das weiß ich leider nicht», sagte der Mann. «Viele Arbeiter arbeiten sonntags. Doch selbst wenn er nicht arbeitet, werden Sie ihn wahrscheinlich in den Baracken der Arbeiter finden. Sie wohnen auf der Baustelle, wissen Sie.»
«Sie sind außerordentlich hilfsbereit gewesen », sagte ich und fügte mit der für Gestapoleute typischen Aufgeblasenheit hinzu:
«Ich werde Ihren Vorgesetzten von Ihrer Tüchtigkeit in Kenntnis setzen.»
13
«Es ist wieder mal typisch für diese verdammten Nazis», sagte Inge, «den Leuten erst die Straßen und dann die Autos zu bauen.»
Wir fuhren auf der Avus in Richtung Potsdam, und Inge sprach über den sogenannten Volkswagen, der so lange auf sich warten ließ. Es war ein Thema, über das sie sich offenbar sehr aufregte.
«Wenn Sie mich fragen, spannen sie den Karren vor das Pferd. Ich meine, wer braucht diese gigantischen Autobahnen? Es ist doch nicht so, daß die Straßen, die wir jetzt ha- ben, nicht in Ordnung wären? Es ist doch nicht so, als ob es in Deutschland zu viele Autos gäbe.» Sie drehte sich in ihrem Sitz zur Seite, um mich anzuschauen, während sie sprach. « Ich habe einen Freund, einen Ingenieur, und er erzählt mir, daß sie eine Autobahn geradewegs durch den polnischen Korridor bauen und daß eine weitere durch die Tschechoslowakei geplant ist. Warum sonst würde man das machen, wenn man nicht eine Armee transportieren wollte? »
Ich räusperte mich, ehe ich antwortete; so hatte ich ein paar Sekunden Zeit, um nachzudenken. « Ich denke nicht, daß die Autobahnen von großem militärischen Wert sind. Im übrigen gibt es keine westlich des Rheins, Richtung Frankreich. Jedenfalls bildet eine Kolonne von Lastwagen auf einem langen, geraden Straßenstück ein leichtes Ziel für einen Luftangriff.»
Diese Bemerkung entlockte meiner Begleiterin ein kurzes, spöttisches Lachen. « Das ist ja der Grund, warum sie die Luftwaffe aufbauen - u·m die Kolonnen zu schützen.»
Ich zuckte die Achseln. «Vielleicht. Aber wenn Sie nach dem wirklichen Grund suchen, warum
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