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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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dazu, von Greis auf die zu setzen, so daß er auf der Stelle verhaftet werden konnte. Nicht nur das: Sie sorgten dafür, daß von Greis von einem Einsatztrupp geschnappt und ins Hauptquartier der Gestapo gebracht wurde.»
    «Was ist ein Einsatztrupp ?» fragte ich.
    «Das sind Totschläger.» Sie schüttelte den Kopf. «Wünschen Sie sich nicht, denen in die Hände zu fallen. Ihr Auftrag war, von Greis einzuschüchtern: ihn durch nackte Angst davon zu überzeugen, daß Himmler mächtiger war als Göring, daß er die Gestapo mehr zu fürchten habe als den Ministerpräsidenten. Schließlich sei es doch Himmler gewesen, der Göring die Herrschaft über die Gestapo entrissen habe. Und dann sei da noch der Fall von Görings ehemaligem Gestapochef Diels, den sein früherer Herr zur Binnenschiffahrt abgeschoben habe. Alles das erzählten sie von Greis. Sie sagten ihm, dasselbe werde auch ihm blühen und seine einzige Chance sei, mit ihnen zusammenzuarbeiten, sonst setze er sich dem Mißfallen des Reichsführers-SS aus.

    Und das hieß mit Sicherheit: KZ. Natürlich ließ sich von Greis überzeugen. Bei welchem Mann, den sie in den Klauen haben, wäre das anders? Er gab Paul alles, was er hatte. Paul nahm eine Anzahl von Dokumenten an sich und verbrachte mehrere Abende damit, sie zu Hause zu prüfen. Und dann wurde er ermordet.»
    «Und die Dokumente wurden gestohlen.» «Ja.»
    «Wissen Sie etwas über den Inhalt dieser Dokumente? » «Ich kenne ihn nicht in allen Einzelheiten. Ich weiß bloß,
    was Paul mir erzählte. Er sagte, daß sie ohne den geringsten Zweifel bewiesen, daß Six mit dem organisierten Verbrechen gemeinsame Sache mache.»
    Beim Startschuß kam Jesse Owens am schnellsten aus dem Loch und lag, kraftvoll und flüssig laufend, nach dreißig Metern klar in Führung. Die Matrone auf dem Sitz neben mir war wieder aufgesprungen. Sie hat sich geirrt, dachte ich, als sie Owens als Gazelle beschrieb. Als ich den großgewachsenen, eleganten Schwarzen auf der Bahn das Tempo beschleunigen sah, allen hirnlosen Theorien über die arische Überlegenheit zum Spott, dachte ich, daß Owens im Grunde nichts anderes als ein menschliches Idealbild war, das andere Menschen einfach in peinliche Verlegenheit brachte. So zu laufen war die Quintessenz irdischen Daseins, und wenn es je eine Herrenrasse gab, durfte man jemanden wie Jesse Owens gewiß nicht davon ausnehmen. Sein Sieg rief bei den deutschen Zuschauern stürmischen Beifall hervor, und ich fand es tröstlich, daß die einzige Rasse, um die sie so viel Wirbel machten, jene war, die sie gerade gesehen hatten. Vielleicht, dachte ich, will Deutschland ja überhaupt keinen Krieg. Ich warf einen Blick in jenen Teil des Stadions, der für Hitler und andere höhere Parteiführer reserviert war, um zu sehen, ob sie anwesend waren und miterlebten, wie das Volk offen seine tiefsten Gefühle zugunsten des schwarzen Amerikaners zeigte. Aber von den Führern des Dritten Reiches war noch immer nichts zu sehen.
    Ich dankte Marlene für ihr Kommen, und dann verließ ich das Stadion. Während der Taxifahrt zum Wannsee erübrigte ich einen Gedanken für den armen Gerhard von Greis. Festgenommen und eingeschüchtert von der Gestapo, nur um wieder freigelassen und fast unmittelbar darauf von den Männern des Roten Dieter geschnappt, gefoltert und umgebracht zu werden. Das nenne ich wirklich Pech.
    Wir überquerten die Wannsee-Brücke und fuhren am Ufer entlang. Ein schwarzes Schild am Ende des Strandes verkündete «Für Juden verboten». Das veranlaßte den Taxifahrer zu der Bemerkung: «Das ist doch ein verdammter Blödsinn, wie? . Niemand ist hier. Bei so einem Wetter ist niemand hier.» Er lachte spöttisch über seinen eigenen Witz.
    Gegenüber dem Restaurant Schwedischer Pavillon nährten ein paar Hartgesottene noch immer die Hoffnung auf besseres Wetter. Der Taxifahrer fuhr fort, sie und das deutsche Wetter mit Hohn zu überschütten, als er in die Koblanckstraße und dann in die Lindenstraße einbog. An der Ecke Hugo-Vogel-Straße ließ ich ihn halten.
    Es war eine stille, ordentliche und grüne Vorstadtsiedlung mit mittelgroßen bis großen Häusern, gepflegten Rasenflächen vor den Türen und sauber gestutzten Hecken. Ich erblickte meinen Wagen, der auf dem Bürgersteig geparkt war, doch von Inge konnte ich keine Spur entdecken. Während ich auf das Wechselgeld wartete, hielt ich besorgt nach ihr Ausschau. Ich spürte, daß etwas nicht stimmte, und

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