Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Jeroschka?»
«Ja, Genosse Major», sagte er ausdruckslos.
«Er hat Kleinholz aus einer Bar gemacht, eine Kellnerin angegriffen, einen Feldwebel geschlagen, und wäre ich nicht gewesen, hätte man ihn vielleicht erschossen. Man könnte ihn immer noch erschießen, wie, Jeroschka? Und zwar in dem Augenblick, wo du ohne meine Erlaubnis dieses Glas anrührst. Verstanden?»
«Ja, Genosse Major.»
Poroschin nahm einen großen, schweren Revolver und legte ihn auf den Tisch, um seinen Worten Nachdruck zu ver leihen. Dann nahm er wieder Platz.
«Ich kann mir vorstellen, daß Sie aus Ihrer Militärzeit eine Menge über Disziplin wissen, Herr Gunther. Wo, sagten Sie, haben Sie während des Krieges gedient? »
«Ich habe nichts gesagt.»
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schwang seine Stiefel auf den Tisch. Der Wodka schwappte über den Rand des Glases, als sie auf der Schreibunterlage landeten.
« Nein, wirklich nicht? Aber ich kann mir vorstellen, daß Sie aufgrund Ihrer Qualifikation irgendwie für den Geheim dienst gearbeitet haben.»
«Welche Qualifikation meinen Sie? »
«Kommen Sie, nur nicht zu bescheiden. Sie sprechen Russisch, haben Kripoerfahrung. Ach ja, Emils Anwalt erzählte mir davon. Ich erfuhr, daß Emil und Sie früher bei der Berli ner Mordkommission waren. Und auch, daß Sie Kommissar waren. Ein ziemlich hoher Rang, nicht wahr? »
Ich schlürfte meinen Wodka und versuchte, ruhig zu blei ben. Ich sagte mir, daß ich mit etwas Ähnlichem hätte rech nen müssen.
« Ich war bloß ein einfacher Soldat, der Befehlen ge horchte», sagte ich. « Ich war nicht mal Parteimitglied. »
« Wie's heute scheint, waren das nur wenige. Ich finde das wirklich ziemlich erstaunlich.» Er lächelte und hob warnend den Zeigefinger. « Seien Sie so zugeknöpft, wie Sie wollen, Herr Gunther, aber ich werde die Wahrheit rausfinden. Mer ken Sie sich meine Worte. Und sei's nur, um meine Neugier zu befriedigen.»
« Manchmal ist es mit der Neugier wie mit Jeroschkas Durst», sagte ich, « man läßt sie am besten unbefriedigt. Es sei denn, es ist die unvoreingenommene, intellektuelle Art von Neugier, die eigentlich Sache der Philosophen ist. Ant worten pflegen enttäuschend zu sein.» Ich leerte mein Glas und stellte es auf die Schreibunterlage neben seine Stiefel. « Aber ich bin heute nachmittag nicht mit einem Mono gramm in den Socken hergekommen, um mit Ihnen Frage und Antwort zu spielen, Major. Also, warum spendieren Sie mir nicht eine der Lucky Strikes, die sie damals rauchten, und befriedigen meine Neugier wenigstens so weit, daß Sie mir die eine oder andere Tatsache über diesen Fall mitteilen.»
Poroschin beugte sich vor und klappte eine silberne Ziga rettendose auf. « Bedienen Sie sich», sagte er.
Ich nahm eine und zündete sie mit einem silbernen Spiel zeugfeuerzeug an, das die Form eines Feldgeschützes hatte; dann betrachtete ich es kritisch, als taxiere ich seinen Wert in einem Trödlerladen. Er hatte mich gereizt, und ich wollte es ihm irgendwie heimzahlen. « Da haben Sie aber eine hübsche Kriegsbeute », sagte ich. « Das ist ein deutsches Feldgeschütz.
Haben Sie es gekauft, oder war niemand zu Hause, als Sie zu Besuch kamen? »
Poroschin schloß die Augen, prustete ein wenig vor Lachen und ging zum Fenster hinüber. Er öffnete den Flügel und knöpfte seinen Hosenschlitz auf. «Das ist der Ärger, wenn man so viel Ovomaltine trinkt», sagte er, offenbar von mei nem Versuch, ihn zu beleidigen, unbeeindruckt. «Sie läuft glatt durch einen durch.» Als er anfing zu pinkeln, warf er einen Blick über die Schulter auf den Tataren, der noch im mer neben dem Aktenschrank mit dem Glas Wodka darauf stand. «Trink's aus und mach, daß du rauskommst, Ferkel.»
Der Tatar zögerte nicht. Er leerte das Glas mit einer ruck artigen Bewegung seines Kopfes, schritt rasch aus dem Zim mer und schloß die Tür hinter sich.
«Wenn Sie sehen würden, wie Bauern wie Jeroschka hier die Toiletten hinterlassen, würden Sie verstehen, warum ich es vorziehe, aus dem Fenster zu pinkeln», sagte Poroschin und knöpfte seinen Hosenschlitz zu. Er schloß das Fenster und nahm erneut Platz. Die Stiefel krachten wieder auf die Schreibunterlage.
«Meine russischen Landsleute können das Leben in die sem Sektor zuweilen ziemlich unangenehm machen. Gott sei Dank gab es Leute wie Emil. Er ist ein höchst amüsanter Mann, den man manchmal gern um sich hat. Und er ist sehr einfallsreich. Es gibt einfach nichts, was er
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