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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Akzent, so daß Sie, selbst wenn er sein Aussehen radikal verändert hat, gewiß keine Mühe haben würden, seine Stimme zu erkennen.»

    Er sah zu, als ich das Foto in das Licht der Straßenlaterne hielt und eine Zeitlang darauf starrte.
    «Er dürfte jetzt siebenundvierzig sein. Nicht sehr groß, breite Bauernhände. Gut möglich, daß er sogar noch seinen Trauring trägt.»
    Das Foto sagte über den Mann nicht viel aus. Es war kein außergewöhnliches Gesicht und dennoch ein bemerkenswer tes.
    Müller hatte einen fast quadratischen Schädel, eine hohe Stirn und harte, schmale Lippen. Doch es waren die Augen, die fesselten, selbst auf diesem kleinen Foto. Müllers Augen glichen denen eines Schneemannes: zwei schwarze, gefrorene Kohlen.
    «Hier ist ein anderes Foto », sagte Belinsky. «Diese bei den sind die einzigen Aufnahmen von ihm, die man kennt.»
    Das zweite Foto war eine Gruppenaufnahme. Fünf Män ner saßen um einen Eichentisch, als hätten sie gerade in einem gemütlichen Restaurant gespeist. Drei von ihnen er kannte ich. Am Kopfende des Tisches saß Heinrich Himmler, der mit seinem Bleistift spielte und Arthur Nebe zulächelte, der zu seiner Rechten saß. Arthur Nebe: mein alter Kame rad, wie Belinsky gesagt hätte. Zu Himmlers Linken, offen bar ganz Ohr für jedes Wort des Reichsführers-SS, saß Rein hard Heydrich, Chef des RSHA, von tschechischen Wider standskämpfern 1942 ermordet.
    «Wann wurde dieses Foto aufgenommen?» fragte ich. «November 1939», sagte Belinsky, beugte sich vor und tippte mit dem Pfeifenstiel auf einen der anderen beiden Männer. «Der da, das ist Müller», sagte er, «der neben Heydrich. »
    Müllers Hand hatte sich gerade bewegt, als der Fotograf auf den Auslöser drückte: Sie war verwischt, als wolle sie die Tagesordnung auf dem Tisch verdecken, aber trotzdem war der Trauring deutlich sichtbar. Er hatte die Augen gesenkt, fast so, als höre er Himmler überhaupt nicht zu. Verglichen

    mit dem von Heydrich, war Müllers Kopf klein. Sein Haar war kurz geschnitten, bis zur Schädeldecke abrasiert, auf der nur noch ganz oben ein kleines, sorgsam gekämmtes Büschel sproß.
    «Wer ist der Mann, der Müller gegenübersitzt? »
    «Der, der Notizen macht? Das ist Franz losef Huber. Er war Chef der Gestapo hier in Wien. Sie können die Fotos be halten, wenn Sie wollen. Es sind bloß Abzüge.»
    «Ich habe noch nicht zugestimmt, Ihnen zu helfen.» «Aber Sie werden es tun. Sie müssen.»
    «Im Augenblick muß ich Ihnen sagen, daß Sie sich verpis sen sollen, Belinsky. Wissen Sie, ich bin wie ein altes Klavier ich liebe es nicht sehr, wenn man auf mir spielt. Aber ich bin müde. Und ich habe getrunken. Möglicherweise werde ich morgen ein bißehen klarer denken können.» Ich öffnete die Wagentür und stieg wieder aus.
    Belinsky hatte recht: Die Karosserie des schwarzen Merce des war mit Beulen übersät.
    «Ich rufe Sie morgen früh an», sagte er.
    «Tun Sie das », sagte ich und schlug krachend die Wagen tür zu. Er raste los, als sei ihm der Teufel auf den Fersen.
    28
    Ich schlief nicht gut. Aufgewühlt durch das, was Belinsky ge sagt hatte, ließen meine Gedanken die Glieder nicht zur Ruhe kommen, und nach wenigen Stunden wachte ich noch vor der Morgendämmerung auf, in kalten Schweiß gebadet, und schlief nicht wieder ein. Hätte er doch bloß Gott nicht erwähnt, sagte ich zu mir selbst.
    Bevor ich in russische Kriegsgefangenschaft geriet, war ich kein Katholik. Das Leben im Lager war so hart, daß immer die Aussicht bestand, daß ich starb, und da ich meinen Frie-

    den mit mir selber machen wollte, machte ich den einzigen Geistlichen unter meinen Mitgefangenen ausfindig, einen polnischen Priester. Ich war als Lutheraner erzogen worden, doch an diesem Ort des Schreckens war die Konfession un bedeutend.
    Daß ich in voller Erwartung des Todes Katholik geworden war, ließ mich um so zäher am Leben festhalten, und nach dem ich geflohen und nach Berlin zurückgekehrt war, be suchte ich weiterhin die Messe und zelebrierte den Glauben, der mich offensichtlich errettet hatte.
    Was ihre Beziehung zu den Nazis betraf, hatte meine neue Kirche keinen guten Ruf, aber sie hatte sich inzwischen auch von jeglicher Mitschuld distanziert. Daraus folgte, daß wenn die katholische Kirche nicht schuldig war, das auch für ihre Schäfchen galt. Wie es schien, gab es so etwas wie eine theo logische Basis für die Zurückweisung einer deutschen Kol lektivschuld. Schuld, sagten die Priester, sei

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