Bernie und Chet
Ausdruck, so wie wenn er bei einer Ermittlung einen seiner Einfälle hat. Wir hatten eine ganz praktische Arbeitsteilung: Er war für die Einfälle zuständig, ich fürs Schnüffeln. »W o war es, haben Sie gesagt?«, fragte er.
»S ierra Verde«, sagte Suzie.
»S ierra Verde, Chet? Was hattest du denn in Sierra Verde zu suchen?«
Ja, was eigentlich? Die Einzelheiten verblassten bereits. Ganz klar erinnerte ich mich nur noch daran, wie sich das Würgehalsband angefühlt hatte, an Madisons Geruch und die tolle Fahrt auf dem Motorrad. Und, ja: an Mr Gulagow und seine Spießgesellen.
»… für diesen Bericht über Tierschutzheime«, sagte Suzie gerade. »I ch brauchte als Gegengewicht etwas wie Sierra Verde, etwas auf dem Land. Reiner Zufall.«
»M otorradfahrer?«
»D as haben sie gesagt. Und dann noch, dass er vermutlich in New Mexico gefunden wurde.«
Bernie legte seine Hand auf meinen Rücken. »W as ist da passiert?«
»D as haben sie nicht gesagt.« Suzie setzte eine Brille auf. Fand ich immer komisch und ein bisschen unheimlich, vielleicht weil Menschen durch eine Brille immer noch ein bisschen mehr wie Maschinen wirkten, als sie es ohnehin schon taten. »S ieht so aus, als würde es gut heilen«, sagte sie.
Jetzt erinnerte ich mich auch daran.
»W as gibt es da zu knurren, alter Junge?«
Ich hob den Kopf und bellte, kurz und laut.
»W as hast du denn?«
Ich warf Bernie einen Blick zu. Er musterte mich. Berglöwen, Bernie. Ach, egal. Ich war zu Hause, und alles war gut. Ich ließ den Kopf wieder sinken und schloss die Augen. Ihre Stimmen plätscherten dahin, ein sehr angenehmes Geräusch. Suzie lachte. Dann sagte Bernie irgendetwas, und sie lachte wieder. Bernie lachte auch – dieses kleine, leise Lachen, das er immer von sich gab, wenn er jemanden zum Lachen brachte; das hörte ich nicht oft. Saßen die beiden nicht mehr ganz so weit voneinander entfernt? Ich hatte irgendwie den Eindruck, aber plötzlich war ich zu müde, um die Augen weiter aufzuhalten. Der Teppich so weich, mein Bauch so voll, und ich hier, zu Hause. Ein wunderbarer Schlaf wartete auf mich, es würde nicht mehr lange dauern und …
Das Telefon klingelte, ein Geräusch, das ich hasste. Der Schlaf verzog sich. Ich öffnete die Augen. Bernie sprach in den Hörer. »N ichts Neues«, sagte er. »T ut mir leid.« Er legte auf, drehte sich zu Suzie; ja, sie waren tatsächlich näher zueinander gerückt, und sie hatte ihre Brille wieder abgenommen. »E in Vermisstenfall. Wir kommen nicht weiter.«
»W er wird vermisst?«
»E in Teenager, sie heißt Madison Chambliss.«
Ich sprang auf und fing an zu bellen.
Ich rannte zur Haustür.
»C het? Was ist los? Ist da draußen etwas?«
Bernie holte eine Taschenlampe und öffnete die Tür. Ich rannte hinaus, die Straße hinunter. Ich erinnerte mich an Mr Gulagows Ranch, mit der Mine und der alten Scheune gegenüber, Madison am Fenster. Aber wo war das gewesen? Ich trabte hierhin und dorthin, suchte nach einer Geruchsspur, die mich zurückführen könnte – Mr Gulagows Geruch, der von Boris, Harold dem Fahrer, Madison, mir selbst. Ich wurde langsamer, ging im Kreis, blieb stehen.
»W as geht dir im Kopf rum, alter Junge?«
Kapitel 14
Am nächsten Morgen machten wir uns gleich an den Madison-Chambliss-Fall, Bernie und ich. Als Erstes fuhren wir zum Donut Heaven, ich auf dem Kopilotensitz, kein Wölkchen am Himmel, alles tipptopp. Auf dem Parkplatz wartete schon ein Streifenwagen. Bernie hielt polizeistilmäßig daneben an, Fahrertür an Fahrertür. Das Fenster des Streifenwagens glitt nach unten, und da war Rick Torres, Bernies Freund aus der Vermisstenabteilung. Er gab Bernie einen Becher Kaffee und einen Doughnut und sagte zu mir: »H i, Chet, wie geht ’ s, wie steht ’ s?«
Ich konnte nicht klagen.
»I ch hab hier einen extra Doughnut für dich«, sagte Rick und hielt ihn in die Höhe.
Ich wedelte mit dem Schwanz.
»C het hatte schon sein Frühstück«, sagte Bernie. »U nd er ist nicht so für Süßes zu haben.«
Ach ja?
»L eere Kalorien«, sagte Bernie.
»H ä?«, machte Rick.
»W irklich. Ich habe mich über Nährwerte kundig gemacht. Schau dich doch um, was mit diesem Land passiert.«
Rick schaute sich um.
»I ch rede davon, wie wir jetzt aussehen und wie wir früher einmal ausgesehen haben«, sagte Bernie.
»S chon verstanden«, sagte Rick. »L iz Taylor zum Beispiel.« Bernie bedachte Rick mit einem langen Blick. Dann biss er von seinem Doughnut ab und sagte mit
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