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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Gutes, denn der »arme Berthold« ist jeden Morgen pünktlich mit seinem Schulranzen losspaziert und am Tage ebenso pünktlich heimgekommen. Sie murmelt etwas Ausweichendes, während der Lehrer ihr noch sagt, wie schade es sei, dass der Kleine schon seit acht Tagen krank ist, bei dem schönen Wetter. Erna Beitz geht nachdenklich nach Hause.
    Als Berthold dann zur üblichen Zeit heimkommt, den Ranzen geschultert, fragt sie scheinbar arglos: »Na, wie war es denn heute in der Schule?« Darauf der Junge treuherzig: »Ja, gut, alles in Ordnung.« Im nächsten Moment erwischt ihn die Kopfnuss: »Meine Mutter hatte so einen guten breiten Ehering, der knackte da ordentlich.« Berthold hatte angesichts der schönen Sonne beschlossen, sich lieber mit Freunden zum Angeln zu treffen und am Flussufer zu liegen; eine kleine Notlüge in der Schule, und die Sache war beschlossen. An diesen Schlag der Mutter erinnert er sich lebhaft, »aber das war nicht bösartig oder um mir wehzutun«, sagt Beitz im Rückblick. Es wird also nicht geprügelt wie in vielen Nachbarhäusern, die Kinder werden nicht erniedrigt und gedemütigt wie so viele ihrer Generation, die diese Gewalterfahrung dann nur zu oft weitergeben. So lernt er in diesem so unpolitischen Elternhaus vielleicht dasselbe wie Joachim Fest in seinem sehr politischen: Respekt vor dem anderen.
    DER AUFSTIEG
    Ungeachtet der Zeitläufe ist der Oberschüler Berthold Beitz ein fröhlicher junger Mann, der das Leben genießt. Strandausflüge mit Freunden, Segeln, Radausflüge, moderne Musik hören, vor allem Jazzplatten.
    Indessen drohen, kaum dass er sein Abitur abgelegt hat, sogleich andere Zwänge. Er würde gern Medizin studieren, aber der New Yorker Börsencrash von 1929 hat die Weltwirtschaftskrise ausgelöst, die mit der Wucht einer Flutwelle ganz Europa, besonders aber Deutschland und auch die alte Hansestadt Greifswald hart trifft. Ab 1930 erlässt Reichskanzler Heinrich Brüning Notverordnungen zur Rettung des Haushaltes, die Gehälter der Staatsdiener sinken, auch das des Finanzbeamten Erdmann Beitz. Infolgedessen ist nicht mehr daran zu denken, den Jungen studieren zu lassen. Er muss vielmehr Geld verdienen und darf sich glücklich schätzen, dass er dank der guten Verbindungen des Vaters eine Banklehre in Stralsund antreten kann.
    Eine Banklehre ist nicht unbedingt das, was Berthold Beitz’ Erwartungen an das Leben entspricht, als er 1934 bei der Zentrale der Pommerschen Bank in Stralsund vorspricht. Er mietet ein kleines Zimmer, bekommt 30 Mark im Monat, macht sich seufzend an die Arbeit. Und es lässt sich ja auch leben in der schönen Stadt am Meer, die einmal Geschichte geschrieben hat, als sie 1628 dem kaiserlichen Feldherrn Wallenstein getrotzt hat. »Steh Strahlsund, verzage nit, Thut Dir der Feind schon dräuen«, so schrieben in ihrer Not die protestantischen Dichter. Die Stadt hielt stand.
    Für den Banklehrling wird die Stralsunder Zeit jedenfalls keine unangenehme. Der Job erfüllt ihn zwar wenig, die Rechnerei, die Zahlen, die Tage in der Schalterhalle. Und wenn er mit seinem gebrauchten Anzug durch die Straßen läuft und Schecks austrägt, beobachtet er nicht ohne Neid die elegant herausgeputzten Marinesoldaten in ihren weißen Ausgehuniformen. Aber er findet rasch Freunde, die ihn bald »Bobby« rufen. So wohnt er eine Weile mit dem Architekten Ferdinand Streb zusammen. Die beiden Junggesellen haben ihre Zimmer im Haus der Witwe Diekelmann in der Sarnowstraße 30 und werden bald dicke Freunde. Für Beitz ist Stralsund die größte Stadt, in der er bisher gelebt hat, der sechs Jahre ältere Streb aber hat schon in Paris bei Le Corbusier gelernt und ist nun nicht sonderlich glücklich mit seiner Beschäftigung beim Marinebauamt in der pommerschen Provinz. Gemeinsam ist ihnen aber der Spaß am Leben und der Humor; so gelten sie im Freundeskreis bald als »Pat und Patachon«, wie die beiden unzertrennlichen Komiker. Auch äußerlich passt das Bild: Streb ist einen Kopf kleiner als Beitz. Der meint im Rückblick: »Ich war mehr der Leithund. Er sagte gern: ›Bobby, mach du!‹« Zu ihrem Freundeskreis gehört auch ein Lehrmädchen aus Beitz’ Bank, Christel Hingst, die Streb später heiraten wird.
    Die beiden jungen Männer schließen sich dem Ruderverein an, dem Mittelpunkt des geselligen Lebens des Stralsunder Bürgertums. Der Clubvorsitzende Osthoff wird auf den jungen Beitz aufmerksam, er bemerkt dessen sicheres, lässiges Auftreten und beschließt, ihn zu

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