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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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immer gegeben, heißt es. Nicht zuletzt hat das mangelnde Mitgefühl gewiss auch mit massiver Verdrängung zu tun. Millionen Deutsche haben die Sklavenarbeiter mit eigenen Augen gesehen: in den Lagern wie der Humboldtstraße, im Betrieb, auf der Straße. Hier kann niemand behaupten, er habe davon nichts gewusst. Umso weniger möchte man nun daran erinnert werden.
    Langfristig hat das Abkommen Krupp aus den negativen Schlagzeilen der angelsächsischen Presse genommen und damit ein strategisches Ziel weitgehend erreicht. Auf beiden beteiligten Seiten aber bleiben Vorbehalte, Vorwürfe, ein bitterer Nachgeschmack. Als die alliierten Richter 1948 das Urteil gegen Alfried Krupp und seine Direktoren fällten, glaubten sie, die ungarischen Jüdinnen, die im Essener Walzwerk Zwangsarbeiterinnen gewesen waren, seien alle ums Leben gekommen. »Sie wurden«, heißt es darin, »unter Aufsicht der SS Richtung Osten gefahren. Mit Ausnahme einiger weniger, die kurz zuvor ausgerissen sind, wurde nichts mehr über das Schicksal der ungarischen Jüdinnen von Krupp bekannt.« Ausgerechnet dieser Punkt erweist sich als zumindest teilweise falsch, als die Anträge auf Entschädigung schließlich bei Krupp eingehen. Unter den Absendern sind fast 400 Jüdinnen aus Ungarn, die man für tot gehalten hat. Beitz hat durchaus Mühe, den erzürnten Alfried Krupp zu beruhigen: »Ich habe ihm gesagt, Herr von Bohlen, wir bleiben trotzdem bei unserer Linie.« Krupp hält den Vertrag tatsächlich ein, und doch ist ein Missklang hineingekommen, der das Abkommen und damit Beitz’ Versöhnungswerk noch lange überschatten wird. Entsprechend kühl schreibt Beitz an die Jewish Claims Conference:
    Ihrem Bericht über den bisherigen Verlauf des Anmeldeverfahrens haben wir unter anderem entnommen, daß sich unter den Anspruchstellern annähernd 400 Ungarinnen befinden, von denen im Nürnberger Urteil angeführt ist, daß sie durch Krupp der Vernichtung preisgegeben worden seien. Diese Unrichtigkeit hat zusammen mit anderen Verzerrungen sicherlich mit zu der hohen Haftstrafe, zu der Herr von Bohlen verurteilt wurde und die er zum erheblichen Teil abgebüßt hat, beigetragen. Hierfür gibt es keine Wiedergutmachung, auch nicht einmal eine moralische in der Weltöffentlichkeit. Sie werden verstehen, daß diese Erkenntnis in unserem Hause mit Bitterkeit empfunden wird.
    Der moralische Vorwurf, den er an die JCC richtet, trifft freilich kaum den richtigen Adressaten. Geirrt haben die Nürnberger Richter, nicht die jüdischen Vertreter, die Ansprüche tatsächlicher Opfer vorbringen. Und die Firma Krupp hatte 1945 ihrerseits nichts dafür getan, die jüdischen Frauen vor dem Abmarsch in das Konzentrationslager Buchenwald und damit in den sicher geglaubten Tod zu bewahren. Das Direktorium stimmte dem Transport durch die SS , die keine KZ -Häftlinge lebend in die Hände der Befreier fallen lassen wollte, ausdrücklich zu, während britische und amerikanische Truppen sich bereits Essen näherten. Das Überleben vieler Ungarinnen, die der Lagerkommandant von Buchenwald nicht mehr aufnehmen wollte, war schiere Glückssache.
    Die erwähnte Verbitterung – auf beiden Seiten – wird zu einem langen und fruchtlosen Nachspiel führen. Eigentlich hat Krupp 5000 Mark für jeden der jüdischen KZ -Häftlinge in seinen Zwangsdiensten zahlen wollen. Doch obwohl Beitz die Gesamtsumme von sechs auf zehn Millionen aufgestockt hat, sinkt der Anteil für jeden Einzelnen auf etwas über 3000 Mark. Selbst Versuche Nahum Goldmanns, über Beitz eine Nachzahlung zu erreichen, bleiben ohne Erfolg. Goldmann berichtet Katzenstein nach einem Treffen mit Beitz in Bonn, dass dieser persönlich dazu bereit gewesen sei. Alfried Krupp aber will nicht mehr zahlen als die zehn Millionen, auf die ihn sein Generalbevollmächtigter bereits hochgehandelt hat. Außerdem stößt Beitz’ Bereitschaft, die jüdischen Ansprüche zu unterstützen, hier an eine Grenze, die er nicht überschreiten will: die Treue und Loyalität gegenüber dem Firmeninhaber.
    Beide Seiten, Alfried Krupp und Beitz’ jüdische Gesprächspartner, fühlen sich unverstanden. Krupp hat sich zu einer Geste gegenüber den Opfern durchgerungen, die unter anderen deutschen Industriellen, milde gesagt, auf sehr geringes Verständnis stößt. Trotzdem erntet er nicht den Dank, den er erwartet, und nicht den Erfolg, auf den er gehofft hat. Er wird kein Einreisevisum in die USA erhalten, der Entschädigungsvertrag von 1959 hat dort

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