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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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alle Mühe, sein Projekt durchzusetzen. Die Krupp-Direktoren zaudern; bei einer Sitzung, an der Beitz nicht teilnimmt, lehnen sie sogar eine Fondslösung der deutschen Wirtschaft ab. Und der BDI warnt: Sollte Krupp einen freiwilligen Alleingang wagen, wäre dies ein Präzedenzfall mit unabsehbaren Folgen für die deutsche Industrie. Gewichtiger noch ist der Widerspruch aus Bonn: Auch die Bundesregierung, namentlich das Auswärtige Amt, warnt ausdemselben Grund dringend vor einem Alleingang.
    Und dann ist da natürlich der Mann, der letztlich zu entscheiden hat, ob Krupp die ehemaligen Zwangsarbeiter entschädigt, und der just ihretwegen lange Jahre im Gefängnis gesessen hat: Alfried Krupp. Der Konzernherr ist gewiss nicht der Mann, der öffentlich Zeugnis ablegen würde über seine Vergangenheit und das, was er daraus gelernt haben mag, über Selbstzweifel und Selbstverständnis. Noch weniger wird er jemals an die Öffentlichkeit gehen und verkünden: Ja, ich war Unternehmenschef, als diese KZ -Häftlinge in unseren Werken vieles erlitten haben. Es ist nur recht und billig, dass wir zahlen. Gleichwohl handelt er so. Er tut, was er nicht tun müsste: Er zahlt.
    Bei einem Gespräch mit Beitz vor dessen New-York-Reise 1958 gibt Krupp schließlich sein Einverständnis: »Herr Beitz, ich habe sechs Jahre eingesessen. Diese Jahre kann mir keiner zurückgeben. Aber es ist richtig. Machen Sie das.« Beitz hat Alfried Krupp von Bohlen und Halbach überzeugt. Entscheidend sind einerseits moralische Argumente: Krupp will mit seiner Vergangenheit brechen, so wie in der Waffenproduktion. Andererseits wollte er, wie Beitz heute sagt, »Amerika davon überzeugen«, dass Krupp heute und Krupp gestern zwei sehr verschiedene Dinge sind: »Und er hat natürlich geglaubt, wenn ausgerechnet er, der in Nürnberg verurteilt wurde, als einer der Ersten Entschädigungen an jüdische KZ -Häftlinge zahlt, würde er endlich auch in die USA reisen dürfen. Das durfte er wegen seiner Verurteilung nicht.«
    Zunächst aber geht wenig voran. Im Juni 1959 schreibt Beitz, gebremst von der hauseigenen Rechtsabteilung, an den Frankfurter Rechtsanwalt Frank Katzenstein, der die JCC in Europa vertritt. Obwohl es bei den Zahlungen um »eine humanitäre Frage« gehe, sei »eine positive Stellungnahme« noch nicht möglich, solange ein laufendes Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof nicht entschieden sei. Dabei geht es, im Fall von AEG -Telefunken, um die Grundsatzfrage, ob die westdeutschen Unternehmen überhaupt haftbar gemacht werden können. Zuvor hätte ein Alleingang von Krupp »auch rechtlich präjudizielle Bedeutung«.
    Katzenstein ist überrascht, Benjamin Ferencz, Deutschland-Direktor der JCC , sogar entsetzt. Ferencz kommt es vor, als betrachte Beitz die Entschädigungsfrage im Vergleich zu seinen weltweiten Geschäften »wie eine Fliege, die einen Elefanten stach – eine geringfügige Störung, die am besten aus dem Weg geräumt wird«. Als Katzenstein einmal in Essen über Details verhandelt, gerät Beitz in Zeitnot. Er hat einen Termin im Kreml, mit dem sowjetischen Außenminister. Ferencz wiederum interpretiert die Situation so, als lasse »Beitz wissen, dass er Wichtigeres zu tun habe«. So schreibt er später in seinem Buch Lohn des Grauens .
    Diese Sicht ist freilich ungerecht, eine grobe Verkennung des deutschen Verhandlungspartners und seiner Motive. Ohne Beitz gäbe es 1959 gar keine Verhandlungen über Entschädigungszahlungen. Er ist es, der die Abwehrfront der deutschen Industrie durchbricht, obwohl er, anders als Ferencz in seinem Buch suggeriert, dazu nicht gezwungen ist. Gewiss möchte er mögliche Klagen nach dem Vorbild Wollheims vom Konzern abwenden. Die JCC hat bereits Testfälle gegen Krupp vorbereitet. Aber die Gefahr schlechter Publicity und möglicher Klagen droht auch anderen deutschen Großunternehmen, ohne dass diese oder ihre Verbände bereit wären, sich zu ihrer historischen Schuld zu bekennen. Dass Krupp es dennoch tut, ist Beitz’ Verdienst.
    Die JCC und besonders Ferencz versuchen durch Druck auf das US -Außenministerium, den Hebel der Verkaufsauflage zu nutzen, die Krupp verpflichtet, die Kohle- und Stahlproduktion zu veräußern. Das Unternehmen soll spüren: Wenn ihr nicht nachgebt, könnte die starke Hand der Sieger euch die wirtschaftliche Grundlage nehmen. Aber das ist eine Illusion. Den westlichen Mächten fehlt nun, während des Kalten Krieges, längst der Eifer, das Mehlemer Abkommen

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