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Beruehre meine Seele

Beruehre meine Seele

Titel: Beruehre meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Vincent
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Mathelehrer, geschweige denn von Sabines Theorie, dass beides möglicherweise miteinander zusammenhing.
    Würde mein bevorstehender Tod als Entschuldigung für den vorübergehenden Totalverlust jeglicher Vernunft durchgehen?
    Ich wagte nicht zu atmen, als Schwester Nolan die Tür am Ende des Gangs öffnete, vor der wir stehen geblieben waren, und versuchte fieberhaft, mir schnell eine einigermaßen plausible Ausrede einfallen zu lassen. Doch wie sich zeigte, brauchte ich gar keine. Hatte es mir schon ziemlich zugesetzt, Danicas Leid mehr oder weniger hilflos mit ansehen zu müssen, so war diese herzzerreißende Erfahrung nichts im Vergleich zu dem, was mich im Zimmer ihrer Mutter erwartete.
    Zuerst dachte ich, dass Mrs Sussman – Amanda, wie das Band um ihr Handgelenk mir verriet – schlief. Allerdings sah ihr Körper merkwürdig steif aus, und ihre Brust hob und senkte sich nur ganz schwach. Sie lag offensichtlich im Koma oder etwas in der Art.
    „Wie lange ist sie schon in diesem Zustand?“, fragte ich, und die Schwester warf mir einen verwirrten Blick zu, so als müsste ich das als Nichte doch wissen. „Mir kommt es mittlerweile wie eine halbe Ewigkeit vor …“, verbesserte ich mich schnell, um meinen Fehler zu vertuschen.
    „Das glaube ich Ihnen. Es sind jetzt knapp vier Wochen“, sagte sie, während wir beide nebeneinander am Bett standen, und schüttelte bedauernd den Kopf über diese Tragödie. „Ihre Tochter ist bisher jedes Wochenende hergekommen, bevor sie heute Morgen selbst eingeliefert wurde, und ihr Exmann war auch ein paar Mal da. Aber keiner von uns kann der armen Frau helfen, es gibt nichts, was man da tun könnte, außer abzuwarten und zu hoffen.“
    „Was ist passiert?“, rutschte mir eine zweite dumme Frage heraus, die mich fast verraten hätte. Doch zum Glück dachte Schwester Nolan, ich wollte etwas über die medizinischen Einzelheiten wissen.
    „Die Ärzte sind sich nicht sicher. Es wurden zwar etliche konsultiert, aber bis jetzt herrscht große Ratlosigkeit. Sie kam so hier an – deine Cousine hatte sie ja gefunden und den Krankenwagen gerufen.“
    Ich nickte, als wüsste ich das natürlich.
    „Es deutet eigentlich alles auf Hirntod hin, trotzdem atmet sie selbstständig, und solange sie künstlich ernährt wird …“ Die Schwester fuhr sachte mit dem Finger über das Pflaster, mit dem die Kanüle fixiert war, die in Mrs Sussmans linker Armbeuge steckte. „… wird sie uns anscheinend erhalten bleiben. Aber ob sie jemals wieder aufwacht, ist mehr als fraglich.“
    „Wie schrecklich …“ Meiner Mutter war wenigstens ein schneller Tod vergönnt gewesen. Das hier war … ich konnte gar keine Worte dafür finden, aber es kam vermutlich der endlosen Folter gleich, die meine echte Tante in der Unterwelt erlitt. „Danke, dass Sie mich um diese Zeit noch zu ihr gelassen haben, aber ich … muss jetzt gehen.“ Ich wich vom Bett zurück, beim Anblick der reglos daliegenden Frau auf einmal sehr dankbar dafür, dass mir so etwas nicht mehr zustoßen könnte. Und falls doch, würde es nach spätestens sechs Tagen vorüber sein.
    In der Empfangshalle angekommen, steuerte ich schnurstracks auf den Fahrstuhl zu. Ich wollte nur noch weg von hier, von all dem Schmerz und Elend, die mein eigenes hartes Los auf grausame Weise ins rechte Licht gerückt hatten, und lief prompt Todd in die Arme. Buchstäblich.
    „Bist du okay?“, erkundigte er sich, und ich wusste, ohne ihn fragen zu müssen, dass nur ich ihn sehen und hören konnte, obwohl er mir vollständig materialisiert erschienen war.
    „Was tust du denn hier?“, flüsterte ich und zog ihn hastig in Richtung Aufzug. Erleichtert stellte ich kurz darauf fest, dass Schwester Nolan offensichtlich in Mrs Sussmans Zimmer noch etwas zu tun hatte, denn ihr lilafarbener Kittel war nirgends in Sicht.
    Todd kramte in seiner Tasche herum, während ich den Fahrstuhlknopf drückte und ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. „Dein Dad hat mich gebeten, dich zu suchen. Du hast dein Handy liegen lassen.“ Er reichte es mir. Und als sich für den Bruchteil einer Sekunde unsere Finger berührten, flackerte ein plötzlicher Farbstreifen in seinen Augen auf – nicht direkt ein Wirbeln, aber … irgendetwas, das ich vorher noch nie bei ihm gesehen hatte. „Und das ist nicht alles, was du vergessen hast.“
    „Hm?“ Ich ging in den Fahrstuhl, der endlich gekommen war, und Todd folgte mir, mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht. Das

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