Beruehrt
eigentlich?«, rief Rachel. Die Ignoranz dieses Typen machte sie immer wütender. Und sie ärgerte sich sofort, dass sie den Kerl sogar respektvoll gesiezt hatte.
»Arbeiten«, schrie er zurück. »Und das geht wesentlich effektiver, wenn ich meine Ruhe habe. Wenn dir langweilig ist, geh nach unten und räum Scherben weg. Den ganzen Müll liegen zu lassen, ist auch nicht besonders rücksichtsvoll.«
Rachel schnaubte. Was bildete der Typ sich eigentlich ein? Dass ihm der Laden gehörte? »Verdammt, ich will ja auch nichts weiter als meine Ruhe! Und von Scherben weiß ich nichts. Idiot!« Sie bemühte sich, den Deckel des Briefschlitzes möglichst geräuschvoll zuzuschlagen. Aber dieses kleine Klappern ging im Lärmpegel der Wohnung leider vollständig unter.
Erbost trat sie gegen die Tür, um wenigstens ein hörbares Protestzeichen zu setzen. Das Einzige, was sie davon hatte, war ein plötzlicher Schmerz, der ihr Tränen in die Augen trieb – weil sie natürlich mit genau den Zehen die Tür attackieren musste, die sie sich bereits in der Nacht gestoßen hatte.
Humpelnd und erst recht stinksauer trat sie den Rückzug in ihre Wohnung an. Sie hatte das Wort »Zicke« durch die Tür ganz genau gehört.
An Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Zum einen schob der werte Herr über ihr unbeeindruckt weiter Möbel durch die Gegend oder schlug sie kurz und klein – das war aus dem Krach nicht genau herauszuhören –, zum anderen pochten ihre blaugrünen Zehen wie verrückt. Und zum Dritten rückte draußen nun ebenfalls ein weder superleises noch hochsensibles Müllkommando an. Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass Calebs Beziehungen zum Hausmeister offenbar immer noch die besten waren. Eine emsige Schar Männer in orangefarbener Arbeitskleidung mit blauen Müllsäcken in den Händen beschäftigte sich klappernd und klirrend mit den Resten vom Fest. Mit Genugtuung stellte Rachel während des Zähneputzens fest, dass der feine Herr von oben diese Geräuschkulisse ohrenscheinlich auch als lästig empfand. Über ihr wurden ein Fenster aufgerissen und einige böse Worte hinuntergeschrien. Die Männer jedoch machten äußerst ignorant und unverdrossen weiter und das Fenster knallte wieder zu. Vielleicht sprachen sie auch einfach nicht genug Englisch, um alles zu verstehen.
Zufrieden machte sich Rachel einen Milchkaffee, den hatte sie sich jetzt verdient. »Geht doch«, nickte sie ihrer Kaffeetasse zu, die das freilich unkommentiert ließ.
Als sie gerade überlegte, ob sie es riskieren konnte, schon bei Helen und Kathy aufzutauchen, ohne dafür gelyncht zu werden, klopfte jemand sehr, sehr leise an ihre Tür.
»Helen?«, stellte Rachel überrascht fest.
Ihre Freundin stand im Morgenmantel, eine Packung Eiswürfel an die Stirn gedrückt, mit zerknautschtem Gesicht und tuscheverlaufenen Augen vor ihr, mindestens zehn Zentimeter kleiner als sonst.
»Hast du eine Aspirin für mich?«, wisperte es fast unhörbar aus Helens lippenstiftverschmiertem Mund.
»Ich hab was viel Besseres!« Rachel ließ die Tür offen stehen, damit Helen in ihrem eigenen tagesaktuellen Zeitlupentempo hinter ihr herschlurfen konnte.
Nachdem sie erfolgreich im Küchenschrank herumgewühlt hatte, konnte sie endlich die Nachricht des Tages loswerden: »Der Wolf ist wieder da.« Dazu stellte sie ein Glas Wasser, eine Flasche Olivenöl und einen Esslöffel auf den Tisch, hinter dem das Häufchen Helen gerade in sich zusammensank. »Nicht so laut«, bat sie mit leidvoller Miene und setzte sich auf den Küchenstuhl, als ob er aus rohen Eiern bestehen würde.
Rachel betrachtete ihre Freundin so amüsiert wie mitfühlend.
»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, hakte sie noch einmal nach. Helen legte bittend den Finger an den Mund und stierte missbilligend auf den Kaffeelöffel, mit dem Rachel viel zu heftig in ihrer Tasse rührte. »Wie bin ich eigentlich in mein Bett gekommen?«, fragte sie nach einer Weile.
Rachel zog eine Augenbraue hoch. »Keine Ahnung«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
»Aha«, sagte Helen und dann wieder eine Zeit lang nichts.
»Bisschen viel Alkohol gestern, oder?«, fragte Rachel schließlich.
Helen verzog das Gesicht. »Weiß nicht mehr, muss wohl, ich kann mich nur lückenhaft erinnern.«
»Als ich ins Bett gegangen bin, hast du an der Schulter von Bruce gedöst und so ungefähr Calebs komplette Gitarrensession verschlafen, in die du mich erst reingequascht hast. Das muss so gegen drei, halb vier gewesen sein«, gab
Weitere Kostenlose Bücher
Inherit the Dead Online Lesen
von
Jonathan Santlofer
,
Stephen L. Carter
,
Marcia Clark
,
Heather Graham
,
Charlaine Harris
,
Sarah Weinman
,
Alafair Burke
,
John Connolly
,
James Grady
,
Bryan Gruley
,
Val McDermid
,
S. J. Rozan
,
Dana Stabenow
,
Lisa Unger
,
Lee Child
,
Ken Bruen
,
C. J. Box
,
Max Allan Collins
,
Mark Billingham
,
Lawrence Block