Beruehrt
durch Bruce und Josh. Sie brachten ein paar angebrochene Flaschen Wein, Cider und ein paar Gläser mit.
»Na, was ist?«, wollte Josh wissen.
»Hier sind noch Reste, die vor dem Schalwerden bewahrt werden müssen!«, rief Bruce theatralisch. »Diese unzähligen, unschuldigen Trauben und Äpfel sollen nicht umsonst gestorben sein.« Dabei guckte er so treuherzig, dass Rachel sich doch noch breitschlagen ließ.
»Na gut, aber lange halte ich es wirklich nicht mehr aus«, gab sie zurück.
»Jaja, ich weiß«, sagte Helen grinsend. »Du bist müde, dir tun die Füße weh und es ist spät geworden … wir brauchen einen Träger!«, rief sie übermütig. »Privatsänfte bitte!«
Helen nahm Bruce die Flaschen ab und der schulterte Rachel kurzerhand wie einen Mehlsack. Man sah ihm an, dass er mindestens ebenso viel Zeit im Fitnessstudio wie vor dem Rechner verbrachte. »Wohin soll’s gehen, Chef?«, fragte er, woraufhin Caleb den Weg in die kleine Laube an der Terrasse wies.
Rachel mischte sich den Wein großzügig mit Mineralwasser. Sie hatte immer noch enormen Durst und trank in großen Schlucken. Zu ihrem Erstaunen stimmte Caleb meist Lagerfeuerlieder und Balladen an, die sie noch aus ihrer Schulzeit kannte. Er hatte eine schöne Stimme und ein schier endloses Repertoire an Pop- und Rockklassikern, die bestimmt schon ihre Eltern bei ähnlichen Gelegenheiten mitgebrummt hatten.
»Oh, ist das Chris de Burgh?«, fragte Rachel, als sie eine Melodie erkannte. Caleb nickte, die anderen stöhnten.
»Uralter Scheiß«, schimpfte Josh und verdrehte die Augen. »Das ist sooo was von megaout.«
»Jetzt sei nicht immer so negativ«, kritisierte Kathy ihren Freund.
Caleb grinste unbeeindruckt. »Locker bleiben, ihr beiden. Ich mag nur seine alten Songs, das Liedermacherzeugs. Das spielt heute keiner mehr.«
Rachel nickte zustimmend und freute sich über diese neue Seite an Caleb. »So was wie Satin Green Shutters oder The Tower, das sind meine absoluten Favoriten. Mein Vater hat die noch auf Vinyl, irre, oder?« Schläfrig lehnte sie sich an Helen, die ihrerseits recht dicht an Bruce gerückt war. Und der schien zu müde, um zu protestieren.
»Kennst du The Tower?«, fragte sie weiter. »Darin geht's um diesen grausamen König und eine geheimnisvolle, wunderschöne Frau. Er verliebt sich in sie und sperrt sie ein, bis sie ihm eines Tages aus dem Turmverlies einfach davonfliegt. Nur eine Feder bleibt zurück und er stirbt an gebrochenem Herzen.«
»Schöner Kitsch, spiel doch mal, Caleb«, nuschelte Helen in Bruce's Schulter.
Caleb schüttelte den Kopf. »Kenn ich leider nicht. Aber wie wär’s hiermit.« Er stimmte Lonely Sky an, danach Broken Wings. Und bei Spanish Train schmetterte Rachel sogar mutig den Refrain mit, bis sie heftig gähnen musste.
Irgendwann konnte selbst Caleb ein Gähnen nicht mehr unterdrücken und wenig später rappelten sich Josh und Kathy hoch, um sich zu verabschieden. Rachel nahm das als Signal, sich einzuklinken. »Ich geh auch schlafen, sonst fall ich um«, verkündete sie. Sie wollte jetzt bloß nicht mit Caleb alleine übrig bleiben. In der Ferne grollte Donner. Es dämmerte bereits und die ersten Vögel lösten Caleb ab.
Helen war an Bruce' Seite eingeschlummert. »Was mach ich denn jetzt?«, fragte er hilflos.
»Wecken, tragen oder liegen lassen«, meinte Caleb und packte seine Gitarre ein. Er suchte Rachels Blick, aber sie wich ihm aus und überlegte kurz, ob sie Helen in dem Zustand allein lassen konnte. Dann gab sie ihrem Bauchgefühl nach und fischte ihre Pumps unter dem Tischchen hervor.
»Ihr schafft das schon, Jungs. Schlaft schön!«, verabschiedete sie sich eilig. Um nichts in der Welt würde sie diese hochhackigen Dinger heute noch mal anziehen. Barfuß eilte sie hinter Kathy und Josh ins Haus. Ein kühler Windhauch fuhr unter ihren Rock. Aber Calebs Blick, den sie im Nacken spürte, verursachte ihr viel mehr Gänsehaut – und zwar keine von der unangenehmen Sorte.
Das Tappen ihrer eigenen nackten Füße auf den Steinen gab ihr ein wenig Sicherheit zurück, und als die massive Holztür hinter Rachel ins Schloss gefallen war, fühlte sie pure Erleichterung. Rasch sprang sie die Stufen hinauf. Der Abstand tat ihr gut und außerdem musste sie dringend aufs Klo.
In ihrer Wohnung stand die Luft. Rachel riss alle Fenster und auch die Balkontür weit auf, putzte sich im Halbschlaf die Zähne, zog sich das Kleid und den BH über den Kopf, ließ die Klamotten einfach fallen und
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