Beruf - Herzensbrecher
du so weit bist, löse die Sicherung und drücke den Abzug langsam durch.“
Sie tat wie ihr geheißen. Trotz des lauten Knalls schreckte Carly nicht zurück. Stattdessen schoss sie schnell noch zweimal. Als das Echo verhallte, hing der Geruch des Schießpulvers noch in der Luft.
„Wow“, sagte sie ehrfürchtig. „Der Rückstoß ist heftig.“
Immer noch in Schießposition drehte sie ihren Kopf zu Hunter um und sah ihn neugierig an.
„Gewöhnt man sich irgendwann daran?“
„Ein wenig.“ An Carlys Körper würde er sich nie gewöhnen, dachte er. Er legte ihr die Hände wieder an die Hüfte und stand jetzt direkt hinter ihr. Die Leidenschaft, die er nun fühlte, war mindestens so heftig wie der Rückstoß seiner Pistole. Er zwang sich zur Konzentration. „Das hast du gut gemacht.“
„Ich habe einen guten Lehrer.“ Sie sah in Richtung Zielscheibe. „Du musst eine Menge Zeit hier verbringen.“
„Nur Freitagmorgens vor der Arbeit.“
Carly feuerte erneut ein paar Schüsse ab, bevor sie sich ihm wieder zuwandte. „Du hast mir noch nicht verraten, warum du nie mit dem Schießen aufgehört hast.“
Er suchte nach einer passenden Antwort. „Ein Teil von mir vermisst wohl meinen alten Job“, sagte er und spürte, wie die Untertreibung ihm unwohl im Magen lag.
„Warum hast du dann aufgehört?“
Er spürte die alte Verbitterung in sich hochsteigen, also nahm er ihr die Pistole ab und senkte den Blick. „Es war an der Zeit, zu gehen.“
„In deinem neuen Job muss dir der Nervenkitzel fehlen.“
„Ich verdiene gutes Geld.“
„Das tue ich auch, wenn ich über Kunstausstellungen, Bars und trendige Apps schreiben muss.“
„Aber dabei geht dir nicht das Herz auf?“
„Nein.“ Sie blickte ihn wehmütig an. „Ich bin eine neugierige Reporterin, die Menschen Dingen vorzieht.“
„Und du neigst dazu, dich in Schwierigkeiten zu bringen“, fügte er trocken hinzu.
„Deshalb bist du mir, glaube ich, gefolgt und hast mich beschützt. Ich bin inzwischen zu der Ansicht gekommen, dass ich dir Gelegenheit biete, deine ehemaligen FBI-Instinkte bei mir auszuleben.“
„Aber deswegen bin ich nicht zum FBI gegangen.“
„Warum denn sonst?“
Er überlegte sich seine Antwort. Doch schließlich schoss er wütend hervor: „Ich konnte Verbrecher schnappen.“
Sein Gefühlsausbruch ließ Carly lächeln. „Dir gefiel es, sie auszumanövrieren. Dir gefiel die Jagd.“
Der Schmerz war zurück. Hunter hielt die Glock fest umklammert, als Carly jetzt weitersprach.
„Warum gehst du nicht zurück?“, fragte sie unschuldig, als ob das so einfach möglich sei.
Unschuld half heutzutage aber keinem weiter.
Hunter drehte sich zu den Tischen an der Wand und öffnete einen Waffenkoffer. Er hatte einmal an den Wert von Unschuld geglaubt. Als Wahrheit, Ehre und Gerechtigkeit nicht nur hohle Sprüche gewesen waren.
„Es ist nicht mehr dasselbe.“ Er entlud die Glock und drehte Carly weiter den Rücken zu. „Ich muss ein Unternehmen leiten. Trage Verantwortung. Habe Verpflichtungen. Und Booker hasst es, sich ums Geschäft zu kümmern.“ Er steckte ein neues Magazin in die Waffe. „Wir sollten weitermachen.“
Er konnte ihren fragenden Blick spüren, als sie sich erneut an ihn wandte: „Du hast ihm nie gesagt, wie du dich fühlst?“
Er schaute gespannt auf das Ersatzmagazin in seiner Hand und kämpfte gegen seinen monatelangen Frust an.
„Das bin ich ihm schuldig.“
Sie klang skeptisch: „Wegen etwas, was in eurer Schulzeit passiert ist?“
„Nein, etwas anderes.“ Sein Freund, der ihn immer unterstützt hatte, verdiente seinen ganzen Rückhalt. Mit einem Ruck drückte er das Magazin in den Pistolengriff und lud die Waffe. „Als ich Booker von meinem Plan mit dem eigenen Unternehmen erzählte, fragte ich ihn, ob er seinen Beraterjob beim FBI aufgeben und bei mir einsteigen würde. Er zögerte keinen Augenblick.“
„Sicher, weil er auch aufhören wollte.“
„Du hast recht. Ein Märtyrer ist er nicht.“ Er kontrollierte die Sicherung, bevor er die Waffe auf den Tisch legte und sich zu ihr umdrehte. „Aber er ist ein treuer Freund, den ich nicht einfach sitzen lassen kann.“
„Woher weißt du, dass er sich nicht fürs Geschäft interessiert?“
„Du hast ihn kennengelernt. Er ist nicht gerade gesellig.“
„Nur weil er sich hinter seinem Computer versteckt, muss das nicht bedeuten, dass er keine Lust auf Menschen hat. Vielleicht braucht er einfach ein bisschen Ermutigung. Und wenn
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