Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
dicht auf den Fersen. Immer wieder warf ich einen unsicheren Blick hinter uns, rechnete jeden Moment damit, einen Verfolger zu entdecken. Dabei war dort niemand! Es erschien mir unheimlich, irgendwie falsch, dass wir seitdem wir die Universität betreten hatten, noch niemandem begegnet waren. Gespenstisch, als wären wir die Einzigen im gesamten Gebäude.
Was selbstverständlich nicht sein konnte.
Ich war lediglich nervös. Das war es.
Als hätte ich es die ganze Zeit über geahnt, vernahmen wir nur wenig später Stimmen aus der Richtung, der wir seit dem Aufstieg aus den Dienstbotenabteilen folgten. Vlain bedeutete mir, mich ruhig zu verhalten und mir nicht anmerken zu lassen, dass wir uns unbefugt im Gebäude aufhielten.
Zu meiner Erleichterung zogen die sich bereits nähernden Schritte weiter und bogen, bevor sie unseren Weg kreuzten, in einen Nebengang ab.
»Nicht gerade das, was mir vorschwebte, als wir beschlossen haben, hierher zu kommen«, tat Vlain seine Meinung kund, während er den nächsten Gang auskundschaftete und sich davon überzeugte, dass sich niemand in unserer Nähe befand.
Wir erreichten die erste Bibliothek nur wenig später. Vlain legte seine Hand auf den Griff und drückte die Klinke nach unten. Ein leiser, hoher Ton fuhr uns durch Mark und Bein, dann war es wieder still.
»Oh.«
» Ein Warnsignal?«, brachte Vlain es auf den Punkt.
Ich konnte ihm nicht widersprechen und zuckte mit den Schultern. Im Anbetracht der Tatsachen durchaus zu vermuten. In unruhiger Erwartung blickten wir die Gänge entlang und harrten dessen, was passieren mochte.
Sich verstecken?
» Was sind wir denn? Kinder?«
Gut, also nicht.
»Außerdem bietet ein Gang dafür nicht allzu viele Möglichkeiten«, fügte Vlain hinzu.
Schließlich kam das Übel in Form von zwei G ardisten und der Bibliothekarin Miss Howel über uns. Äußerst schnell näherten sich die Schritte und die besorgte Stimme der Frau, die ihrer äußeren Erscheinung nach in den mittleren Vierzigern war, hallte abgehackt von den Wänden wieder. Ihr zarter Körper wurde von der weitfallenden Robe einer Gelehrten verschluckt.
» Da!«, rief sie, möglicherweise in ihrer Vermutung bestätigt, als sie uns erblickte. Ihr aufgeregtes Stammeln ging in einem Schwall sich überschlagender Wörter unter.
» Unbefugte!«
» Wie konnte das passieren?«
» Was ist mit den Sicherheitsvorkehrungen?«
» Ich habe Ihnen doch gesagt, dass der Alarm schon vorher aktiviert worden ist!«
Während dieses hektischen Geplauders war es überaus schwer, zu Wort zu kommen, geschweige denn eine vernünftige Erklärung unserer Beweggründe vorzubringen. Also übten wir uns in Geduld, tauschten nervöse Blicke und versuchten, nicht bedrohlich auszusehen.
Als Miss Howel eine kurze Pause machte, fuhr ich dazwischen: »Entschuldigen Sie vielmals, dass wir die Universität ohne Erlaubnis betreten haben. Aber lassen Sie mich das erklären«, begann ich. »Wir sind Vertreter der Garde.« Ich nickte den beiden Gardisten, mit denen ich zu unserem Leidwesen nicht persönlich bekannt war, kurz zu. »Und in einem geheimen Auftrag unterwegs, weshalb wir, ohne uns anzumelden, in die Universität eingedrungen sind. Dies ist ein Missverständnis«, betonte ich, nachdem die Blicke der Bibliothekarin und der zwei Männer in den Uniformen nicht weniger skeptisch wurden.
Dann nahmen die Gesichter der Gardisten einen geschäftigen Ausdruck an und der eine von ihnen wandte sich höflich und in aller Förmlichkeit an mich : »Können Sie sich ausweisen?«
Die Frage mussten wir verneinen. Vlain als Mitglied der Bande anstelle der Garde zu präsentieren, wäre das denkbar Schlechteste, was wir in unserer gegenwärtigen Situation tun konnten.
»Mein Name ist Adrian. Adrian Ravent«, versuchte ich es erneut. »Meine Freundin Myriam und ich sind seit langem ehrwürdige Mitglieder der Garde und haben uns nie etwas zu Schulden kommen lassen, wir sind dem Spindelmeister wohlbekannt und handeln auch heute nur in seinem Auftrag. Sie müssen uns gewähren lassen, ich bitte Sie darum.«
Der Gardist schüttelte den Kopf . »Wenn Sie verzeihen, aber Sie sehen nicht aus wie Vertreter der Garde. Und Ihr Freund«, er warf Vlain kurz einen abschätzigen Blick zu, »ebenso.«
» Dämonen«, zischte der andere Mann geringschätzig.
Miss Howel wurde bleich . »Bandenmitglieder?«, fragte sie ehrfürchtig und verängstigt zugleich. »Beim Unbefleckten!«
Woher wusste der Kerl…? Mir blieb nicht mehr
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