Beseelt
wusste mit einem Mal, dass es Elphame gewesen war, die die Wände mit Szenen aus ihrer Kindheit verschönert hatte. Die Clanführerin verstand sie sehr gut.
Eine der Haushälterinnen hatte daran gedacht, in der Feuerstelle ein Feuer zu machen sowie die Kerzen in den hohen Kandelabern zu entzünden, die wie eiserne Wachen im Zimmer verteilt standen. Die lange, schmale Kammer enthielt eine Kommode, einen stabilen, den Proportionen einer Zentaurin angepassten Tisch und eine große, daunengefüllte Matratze, die direkt auf dem Marmorboden lag.
Brighid atmete tief durch und genoss den vertrauten Duft der MacCallan-Kerzen, die aus Wachs hergestellt wurden, in das die öligen Blätter des hiesigen Lavendels gemischt waren. Sie lächelte. Möge die Göttin Wynne und ihre Köchinnenschar segnen! Auf dem Tisch stand ein Korb mit kaltem Braten, Käse, Brot, getrockneten Früchten und – das Beste von allem – einem Weinschlauch gefüllt mit … Sie öffnete ihn und nahm einen großen Schluck. Ja, gefüllt mit dem hervorragenden Rotwein aus Etains eigenen Weinbergen.
Brighid schob sich ein Stück Käse in den Mund. Hier kannte man ihre Gewohnheiten. Hier verstand man, dass sie während der Nacht gerne einen kleinen Happen zu sich nahm und dass sie manchmal noch vor den Köchinnen aufstand und die Burg verließ. Man wollte sichergehen, dass sie ausreichend Proviant hatte. Ja, hier sorgte man sich um sie.
Sie war erst seit wenigen Mondzyklen auf der Burg, und doch vermittelte ihr jeder Geruch, jedes Gesicht, jede Berührung ein Gefühl von Sicherheit und Akzeptanz.
Ich habe endlich meinen Platz gefunden
.
Es war eine einzigartige, wundersame Erfahrung, eine Burg voller Menschen zu haben, die sich um sie sorgten und denen ihr Wohlergehen am Herzen lag. Was würde ihre Mutter denken, wenn sie das sehen könnte? Brighid schüttelte den Kopf. Ihre Mutter würde es nie sehen, selbst wenn sie in diesem Zimmer stünde. Mairearad Dhianna konnte nur Schatten sehen, niemals das Licht, das sie verursachte. Sie würde Fehler beim MacCallan-Clan finden und die Zuneigung der Burgbewohner zu ihrer Tochter ins Lächerliche ziehen.
Wieso dachte sie auf einmal so viel an ihre Mutter? Dieser Teil ihres Lebens war doch vorüber.
Das konnte nur daher kommen, weil sie so müde war. Die Reise war erschöpfend gewesen. Sie brauchte dringend etwas Schlaf. Am Morgen würde sie wieder sie selbst sein. Sie würde sicherstellen, dass die Neuen Fomorianer sich häuslich eingerichtet hatten. Man sprach davon, dass man für sie ein Dorf auf dem Plateau südlich der Burg errichten wollte. Vielleicht würde sie Liam diese Stelle zeigen.
Brighid seufzte und blies die duftenden Kerzen aus. Nun kam das einzige Licht vom flackernden Feuer. Was sollte sie mit Liam tun? Sie hatte ihn zu ihrem Lehrling ernannt und musste anfangen, ihn auszubilden. Spuren lesen, dachte sie zufrieden. Sie würde ihn erst einmal auf verschiedene Spuren ansetzen … identifizieren … verfolgen … benennen … kategorisieren. Die meisten Jägerinnen in Ausbildung brauchten Jahre, um diese Aufgabe zu meistern. Damit würde sie ihn eine schöne Weile beschäftigt halten.
Wenn sie Glück hatte, würde er bald das Interesse verlieren.
Sie ignorierte den harten türkisblauen Stein in ihrer Brusttasche, schlüpfte aus der Weste und goss Wasser in die Schüssel, die auf der Kommode stand. Mit dem dicken Leinentuch, das von einem Haken an der Wand hing, machte sie sich ein wenig frisch und ließ sich zufrieden seufzend auf ihr Lager nieder. Heute Nacht würde sie gut schlafen. Morgen könnte sie über den Stein und die Seelenerneuerung und den verdammten silbernen Falken nachdenken, den sie Cu gegenüber noch gar nicht erwähnt hatte.
Morgen ist für all das noch früh genug …
Sie war sich nicht bewusst, dass sie träumte. Sie trieb einfach nur zufrieden auf einer Wolke der Gelassenheit dahin. In ihrem Traum gab es keine Kinder … keine toten Freundinnen … und ganz bestimmt keine verdammten Männer, ob mit oder ohne zersplitterte Seele.
Der Knall einer zuschlagenden Tür und das Gefühl, eine Hand auf ihrer Schulter zu spüren, die sie grob wachrüttelte, ließ ihre Zufriedenheit wie Rauch im Wind vergehen.
„Brighid! Wach auf!“
Brighid öffnete ein Auge. Vom Feuer waren nur noch glühende Kohlen übrig geblieben, aber der Mann hielt eine Kerze in der Hand. Nun öffnete sie auch ihr zweites Auge.
„Cuchulainn?“ Ihre Stimme war rau.
„Ich wusste doch, dass du wach
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