Beseelt
anzutreiben. Dort, wo der Boden abfiel, blieb er stehen. Brighid trat neben ihn und atmete beim Anblick, der sich ihr bot, tief ein. Die Schlucht öffnete sich, als hätte ein Riese eine Axt genommen und einen klaffenden Spalt in die kalte, felsige Erde geschlagen. Die Wand, auf der sie standen, war höher als die auf der anderen Seite. Sie fiel mindestens sechzig Meter nach unten. Ein schmaler Fluss schlängelte sich durch das Tal, und ein paar runde Gebäude drückten sich dicht an die freundlichere Nordseite der Schlucht. Brighid erkannte Gestalten und versuchte, die Flügel zu erkennen, während die Neuen Fomorianer sich zwischen ihren runden Häusern, den Pferchen und langen, gedrungenen Gebäuden hin- und herbewegten, von denen sie annahm, dass es sich um Ställe handelte.
Sie spürte, dass Cuchulainn sie beobachtete.
„Die Menschenfrauen haben eine gute Wahl getroffen. Die Wände der Schlucht bieten Schutz, und es gibt eine Wasserversorgung. Ich sehe sogar ein paar Gebilde, die als Bäume durchgehen könnten.“ Sie schaute ihn an. „Wenn ich bei ihnen gewesen wäre, hätte ich auch diesen Platz gewählt.“ Tatsächlich hätte sie den Frauen empfohlen, ihren Monsterkindern die Kehlen durchzuschneiden und nach Partholon zurückzukehren, wo sie hingehörten, aber das war ein Gedanke, den sie lieber für sich behielt.
„Diese Landschaft verzeiht nichts. Ich war überrascht, wie gut sie hier überlebt haben. Ich hatte erwartet …“
Cuchulainn wirkte, als täte es ihm leid, so viel gesagt zu haben. Sie schaute ihn mit unverhohlener Neugierde an. Er räusperte sich und trieb seinen Wallach den steilen Pfad hinunter.
„Pass auf, wo du hintrittst. Der Schiefer ist glatt“, rief er ihr zu.
Brighid folgte ihm und wunderte sich über die Veränderungen bei ihm. Waren das Auswirkungen seines Verlustes, oder war hier im Ödland etwas passiert? Auch wenn sie nicht ihre Freundin wäre, würde sie es ihrer Clanführerin schulden, das herauszufinden.
4. KAPITEL
D er erste Hybrid, den Brighid sah, tat etwas vollkommen Unerwartetes: Er lachte. Die Jägerin hörte ihn, bevor sie ihn sah. Sein Gelächter schallte den Weg herauf und wurde von spielerischem Knurren und Zähnefletschen untermalt.
„Sie mögen Fand“, erklärte Cuchulainn.
Der Krieger und sie erreichten endlich den Grund der Schlucht und ritten um eine Felszunge herum, hinter der ein geflügelter Mann mitten auf dem Weg lag. Die Wölfin stand über ihm, beide Vorderpfoten auf seiner Brust. Die Zunge hing ihr aus dem offenen Maul, und es sah aus, als würde sie lächeln.
„Fand hat mich umgeworfen, Cuchulainn. Sie wächst so schnell, dass sie schon bald ein richtiger Wolf sein wird“, sagte er und kraulte die Wölfin hinter den Ohren. Dann schaute er auf und sah die Zentaurin an Cuchulainns Seite. Seine Augen weiteten sich geschockt.
„Fand, hierher!“, befahl Cuchulainn.
Dieses Mal entschied sich der Wolf, zu gehorchen, und kam an die Seite seines Herrchens. Der geflügelte Mann erhob sich schnell und schüttelte den Schnee von seiner Tunika. Dabei behielt er seinen Blick stetig auf sie gerichtet.
„Gareth, das ist …“
Gareth unterbrach Cu aufgeregt: „Brighid, die Jägerin! Das ist sie doch, oder nicht?“
„Ja, Gareth. Das hier ist die Jägerin des MacCallan-Clans, Brighid Dhianna.“
Gareth verbeugte sich ungeschickt, und sie bemerkte, dass es sich bei ihm um einen großen, schlaksigen Jungen handelte. Er schaute sie voller Bewunderung an.
„Schön, dich kennenzulernen, Brighid.“ Seine Stimme brach, als er ihren Namen aussprach.
Sie hörte Cuchulainn seufzen und unterdrückte ein Lächeln.
„Ebenfalls“, erwiderte sie die Begrüßung.
„Warte, bis ich es den anderen erzählt habe! Die werden es nicht glauben. Du bist sogar noch schöner, als Curran und Nevin dich beschrieben haben.“
Gareth drehte sich um, um loszulaufen, hielt dann aber inne und schaute sie verlegen an. Sie sah, wie seine Wangen sich vor Scham röteten.
„Verzeihung, Jägerin! Ich werde vorlaufen und den anderen sagen, dass wir noch einen Besucher haben.“ Er wandte sich ab und lief den Weg hinunter, wobei er die Flügel ausbreitete.
„Dummer Junge“, murmelte Cuchulainn.
Brighid sah ihn fragend an. „Ich bin sogar noch schöner, als Curran und Nevin mich beschrieben haben?“
Er hob die Hände in einer frustrierten Geste. „Abends erzählen die Zwillinge Geschichten. Du bist eines ihrer Lieblingsobjekte.“
„Ich? Wie kann das sein?
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