Beseelt
zupfte, ohne dass sie es greifen oder gar verstehen konnte.
Hatten die Hybriden ihn mit einem Fluch belegt? Cuchulainn versperrte sich dem Übersinnlichen und hätte nur wenig Abwehr gegen einen magischen Angriff. Auch wenn sie weder die Ausbildung noch die Erfahrung ihrer Mutter hatte, war ihr die Welt der Spiritualität nicht völlig fremd. Sie wusste, auf welch vielfältige Art die Mächte der Göttin verdreht und missbraucht werden konnten. Schweigend nahm sie sich vor, sich später, wenn sie Zeit hatte, zu konzentrieren und danach Ausschau zu halten, ob irgendwo um dieses Lager böse Energien auszumachen waren. Bis dahin würde sie das tun, was sie am besten konnte: einen Pfad finden und ihm folgen.
„Hier“, sagte sie und warf Cu einen prallen Weinschlauch zu, den sie aus ihrer letzten Tasche genommen hatte. „Den schickt dir deine Schwester.“
Er öffnete ihn, schnupperte an der Flüssigkeit, schnalzte anerkennend mit der Zunge und nahm einen tiefen Schluck. Danach wischte er sich den Mund mit dem Handrücken ab und setzte sich auf eine Pritsche.
„Es ist zu lange her, dass ich Wein aus Eponas Tempel getrunken habe. Meine Mutter würde sagen, es gibt keine Entschuldigung dafür, wie ein Barbar zu leben.“
„Genau das Gleiche hat auch deine Schwester gesagt.“
Sein Lächeln wirkte einen Moment beinahe normal.
„Sie fehlt mir.“
„Du fehlst ihr auch.“
Er nickte und nahm noch einen Schluck vom vollmundigen Rotwein.
„Warum gibt es so wenige erwachsene Hybriden?“, fragte Brighid sanft.
Er schaute ihr in die Augen. „Ich habe zweiundzwanzig voll ausgewachsene Hybriden gezählt – zwölf weibliche, von denen eine gerade verkündet hat, schwanger zu sein, und zehn männliche. Und es gibt siebzig Kinder im Alter zwischen Säugling und jungem Erwachsenen. Sie sagen, dass alle anderen tot sind.“
„Wieso?“ In ihrem Kopf purzelten die ungleichen Zahlen durcheinander.
„Es war der Wahnsinn. Ciara sagt, es ist schwerer, ihm zu widerstehen, je älter man wird. Von den ursprünglichen Hybriden, die von menschlichen Müttern geboren wurden, sind nur Lochlan, Nevin, Curran, Keir und Fallon übrig geblieben.“ Er biss kurz die Zähne zusammen. „Und von denen ist Fallon dem Wahnsinn anheimgefallen.“
Brighid nickte. „Die Krieger auf der Wachtburg sagen, dass sie wahnsinnig geblieben ist. Elphames Opfer hatte keine Auswirkung auf sie.“
„Es war zu spät. Sie hatte das dunkle Erbe ihres Vaters bereits angenommen, als El von Lochlans Blut trank, um den Wahnsinn seines Volkes auf sich zu nehmen. Offensichtlich lässt er sich nicht rückgängig machen, wenn er einmal ausgebrochen ist.“ Cuchulainns Magen krampfte sich zusammen, als vor seinem inneren Auge die grausame Szene aufstieg und er sah, wie Elphame sich die Pulsadern aufschnitt und Lochlan zwang, sein Blut mir ihr zu teilen. Mit dem Blut des Hybriden nahm sie den Wahnsinn der Dämonenrasse in sich auf und erlöste sie so davon. „El hätte ebenfalls verrückt werden können. Nur Eponas Kräften ist es zu verdanken, dass sie bei gesundem Verstand bleibt, obwohl der Wahnsinn in ihr lauert.“
„Ihn zu akzeptieren hat weder deine Schwester noch Fallon getötet. Wie kommt es also, dass die anderen Erwachsenen gestorben sind?“
„Selbstmord. Ciara hat mir erklärt, wenn ein Hybrid den Schmerz nicht länger erträgt, den der Kampf gegen das Böse in seinem Blut verursacht, tötet er sich lieber selbst, als ein Leben voller Gewalt und Hass zu führen.“
Brighid schaute ihn ungläubig an. „Sie sagt also, jemand, der sich mehr oder weniger entschlossen hat, den Hass und das Böse zu akzeptieren, besitzt dennoch die Fähigkeit, das ultimative Opfer zu bringen und sich sein Leben zu nehmen?“
„Ja. Als letzten Akt der Menschlichkeit.“
„Und du glaubst ihr?“
Anstatt mit der von ihr offenbar vorausgesetzten Wut zu reagieren, nahm Cuchulainn nachdenklich noch einen Schluck Wein.
„Anfangs habe ich nichts davon geglaubt. Ich bin tagelang bewaffnet herumgelaufen, habe erwartet, jederzeit von geflügelten Dämonen angegriffen zu werden.“ Er hob die Brauen. „Es sind aber keine aufgetaucht. Du kannst sicher erraten, wer mich stattdessen überfallen hat.“
Brighid lachte. „Wenn du mich mit ihnen hättest zusammenwohnen lassen, hätte ich sie vermutlich als Dämonen bezeichnet. Sehr kleine Dämonen zwar, aber nicht weniger Furcht einflößend.“
„Die Kinder sind überall. Es gibt so viele von ihnen und so wenig
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