Beseelt
kristallenen Tiefe Gestalt an:
Cuchulainn als Junge mit seinem ersten echten Schwert … Brighid, die ausgelassen über einen See aus kniehohem Gras lief … Cuchulainn, der eine verwundete Elphame fest in den Armen hielt, während Brighid sie beide in die Sicherheit der MacCallan-Burg zurücktrug … eine sich über Spuren von Krallen beugende Brighid, die Brennas Tod darin las …
„Aufhören!“, rief Brighid und packte Cu an der Schulter, um ihn daran zu sich umzudrehen. „Sieh nicht in den Fluss!“
„Was ist?“ Seine Stimme war rau und er wirkte bis ins Mark erschüttert. „Wieso sehen wir die Vergangenheit?“
„Das ist die Mittelwelt!“ Als sie seinen ausdrucklosen Blick sah, hätte sie ihn am liebsten geschüttelt und ausgeschimpft, weil er als Kind bei den Lektionen über die Anderswelt nicht aufgepasst hatte.
Später muss er mehr lernen
. Jetzt war nicht die Zeit, ihn zu schelten. Stattdessen erklärte sie es ihm hastig: „Die Mittelwelt ist der Ort für Zeit- und Raumreisen. Der Fluss wird dir deine Vergangenheit zeigen – meine Vergangenheit, die Vergangenheit dieser Welt und die von anderen Welten und Orten, die uns fremd sind. Es wäre einfach, sich hier zu verlieren – vielen ist es so ergangen. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass er unsere Seelen einfängt. Wir müssen weitergehen.“
„Er kann mir Brenna zeigen, ihren Tod oder sogar das letzte Mal, als wir zusammen waren?“
„Ja, das kann er.“ Brighid schob den Schmerz beiseite, den seine Worte in ihr auslösten. „Wenn du es wirklich willst, kannst du hier an den Wassern der Vergangenheit bleiben. Ich werde dich nicht dafür hassen, sondern dich von deinem Schwur mir gegenüber entbinden.“ Sie atmete tief ein und ließ weder ihren Herzschmerz noch ihre Sehnsucht in ihrer Stimme mitklingen. Sie sprach wie eine Jägerin, stark, überzeugend und selbstbewusst. „Doch eines musst du wissen, Cuchulainn. Ich will, dass du eine Entscheidung triffst, und zwar jetzt. Wähle Brenna und die Vergangenheit oder mich und unsere Zukunft. Ich habe sie auch geliebt, aber ich werde meinen Ehemann nicht mit einem Geist teilen.“
Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen, und schaute sich blinzelnd um, als verstünde er jetzt erst vollkommen, wo sie waren. Als sein Blick die lockende Oberfläche des Flusses berührte, wandte er sich hastig ab.
„Ich habe mich für dich und unsere Zukunft entschieden. Ich entscheide mich, dass ich niemals vom Eid, den ich bei der Handfeste geleistet habe, entbunden werden will. Egal wie verlockend dieses Seelenreich die Vergangenheit auch erscheinen lässt.“
„Dann lass uns weitergehen“, sagte sie schnell, um nicht der Erleichterung Ausdruck zu verleihen, die sie bei seinen Worten empfand.
„Wohin?“
Brighid zeigte mit dem Kinn nach rechts. „Da hindurch.“
Sie standen vor der offenen Tür, die in das dunkle Innere eines Grabhügels führte, auf dem Gras und Blumen wuchsen. Flache weiße Steinplatten säumten den Eingang. Cuchulainn trat beiseite und bedeutete ihr, voranzugehen. Dabei behielt er den Blick stur auf sie gerichtet und nicht auf den silbernen Fluss, der verführerisch am äußeren Rand ihres Sichtfeldes glitzerte.
Als Brighid die dunkle Höhle betrat, ertönte der wütende Schrei eines Raben. Dank ihrer Intuition, die von der Macht des Seelenreiches übernatürlich verstärkt wurde, wusste sie, dass ihre Mutter irgendwie hinter Cuchulainns Verlockung durch die Mittelwelt steckte.
Das bedeutete, es musste sehr wichtig sein, dass der Krieger sie begleitete – wäre es das nicht, würde ihre Mutter ihm keine Beachtung schenken.
„Geht es dir gut? Wieso bleiben wir stehen?“, fragte er aus der Dunkelheit.
„Alles ist gut, Cu.“ Obwohl er sie in der Schwärze nicht sehen konnte, nickte sie in Richtung eines winzigen Lichtpunktes. „Wir folgen dem Licht.“
Sie gingen schnell und fanden sich bald an der Schwelle einer weiteren Tür, die von Mondlicht erleuchtet wurde. Gemeinsam traten sie hindurch und kamen in die Oberwelt.
Vor ihnen erstreckte sich dichter Wald. Sogar im silbrigen Schein des Mondes sahen sie, dass die Bäume, Gräser und Blumen ungewöhnlich bunte Farben trugen. Drei Wege führten von der Tür fort, jeder verschwand nach wenigen Schritten in der grünen Wildnis.
„Welchen nehmen wir?“, fragte Cu.
Brighid klärte ihren Geist, um den richtigen Weg zu erfühlen. Sie seufzte frustriert, als sie sich zu keinem besonders hingezogen fühlte. Je
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