Beseelt
Strahl aus Mondlicht zu bewegen. Als sie näher trat, veränderte sie ihre Gestalt, wurde von einer wunderschönen, blonden Jungfrau zu einer mittelalten Matrone, deren Körper kräftig und alltagstauglich war, und dann zu einem uralten Weib mit Haaren in der Farbe von Schnee. Damit hörte es aber nicht auf – in dem einen Augenblick war sie eine Frau, im nächsten eine elegante silberne Stute, dann eine mächtige Zentaurin, die den Bogen der Jägerin in der rechten Hand hielt, anschließend wuchsen ihr Flügel und sie nahm die Gestalt einer kindlichen Neuen Fomorianerin an.
Atemlos schlug Brighid die Augen nieder und verbeugte sich tief vor der Göttin.
„Heil dir, Epona“, sagte sie. „Göttin alles Wilden und Freien. Ich bin zu deinem Hain gekommen …“
„Kind.“ Die Stimme der Göttin war erstaunlich sanft. „Ich weiß, weshalb du gekommen bist.“
Brighid hob den Blick. Epona hatte die Gestalt einer Frau in der Blüte ihrer Jahre angenommen. Sie trug immer noch das Kleid aus weißem Samt, das sich an ihre Rundungen schmiegte und so die üppige Schönheit der reinen göttlichen Weiblichkeit unterstrich.
„Natürlich weißt du, warum ich gekommen bin. Es … es tut mir leid. Ich wollte nicht …“ Brighid schloss die Augen und versuchte, dem Zittern in ihrem Inneren Herr zu werden. Als sie sie wieder öffnete, sagte sie: „Epona, ich bitte dich um Erlaubnis, aus deinem Kelch zu trinken und damit die Verantwortung der Hohen Schamanin der Dhianna-Herde zu übernehmen.“
Epona musterte sie eindringlich. „Du hast deinen Bruder in der Spiegelung im Becken gesehen.“
Das war keine Frage, aber Brighid nickte trotzdem. „Ja, Göttin.“
„Ist dir aufgefallen, dass er nicht um meinen Segen gebeten hat? Er nahm und trank und verschwand.“
„Ich bin nicht mein Bruder, Göttin.“
Ein Lächeln umspielte Eponas volle Lippen. „Du hast das Aussehen deiner Mutter, aber du hast nicht ihr Herz. Du hast einen anderen Weg gewählt.“
„Ich hoffe es, Epona.“
Die Göttin ließ den Blick über die Lichtung schweifen, und ihr Lächeln wurde breiter. „Ah, Cuchulainn. Tritt näher.“
Er war in dem Moment auf die Knie gesunken, in dem Epona erschien. Jetzt erhob Cuchulainn sich und näherte sich der Großen Göttin, wobei sein Herz schmerzhaft pochte.
„Heil dir, Epona“, sagte er und verbeugte sich tief vor ihr.
„Ich freue mich, dich hier in meinem heiligen Hain zu sehen. Da du der Sohn meiner geliebten Inkarnation bist, war ich etwas enttäuscht, weil du die Geschenke zurückgewiesen hast, mit denen ich dich aus Liebe zu deiner Mutter bedacht habe.“
„Vergib mir, Göttin. Ich habe lange gebraucht, um erwachsen zu werden.“
Epona nickte gedankenverloren. „Eine weise und wahre Antwort.“ Sie deutete auf das strahlende Schwert, das er noch immer in der Hand hielt. „Hättest du Bregons Blut hier in meinem Hain vergossen?“
Cuchulainn antwortete, ohne zu zögern: „Um Brighid zu beschützen, hätte ich es getan.“
„Selbst wenn du dir damit meinen Unmut zugezogen hättest?“
„Ich kann nur hoffen, dass du von mir erwartest, den Schwur zu ehren, den ich Brighid unter deinen Augen und denen meiner Mutter geleistet habe, und dass du aus diesem Grund mir gegenüber gnädig wärst und mir die Schändung deines heiligen Hains verzeihen würdest.“ Er verneigte sich erneut demütig vor der Großen Göttin.
Epona musterte ihn eine Weile schweigend. Als sie sprach, klang sie nachdenklich: „Ich glaube, ich habe dich mit den falschen Gaben bedacht. Ein Krieger muss Visionen und Vorsehungen ja geradezu als etwas ansehen, gegen das es anzukämpfen heißt. Kein Wunder, dass sie so wenig zu deinem Geist gepasst haben. Ich nehme meine Geschenke zurück, Cuchulainn.“
Während sie sprach, streckte sie ihre Rechte aus. Cuchulainn keuchte und stolperte rückwärts.
„Im Gegenzug gewähre ich dir die Gabe des Zweiten Gesichts.“
Die Göttin tauchte eine Hand in das Wasserbecken und sprenkelte drei glitzernde Tropfen auf ihn.
„Von heute an hast du die heilige Fähigkeit, die wahre Form aller Dinge zu erkennen und die Seele zu sehen, die einem Körper innewohnt. Du wirst durch die Dunkelheit des Lebens schauen können.“
Cuchulainn sank auf die Knie, überwältigt vom Gefühl der Macht, das ihn durchströmte.
„Nutze deine Fähigkeit weise, Cuchulainn MacCallan, Sohn meiner geliebten Auserwählten. Lass nicht zu, dass dein Schwert das Leben von jemandem beendet, dessen Seele noch
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