Beseelt
Bedeutung der Worte begriff. „Also sind viele von euch Nachfahren einer der Musen oder ihrer Schülerinnen.“
„Richtig. Ihr wisst bereits, dass ich die Enkeltochter der inkarnierten Göttin Terpsichore bin, der Muse des Tanzes. In diesem Raum befinden sich Nachfahren aller neun Göttinnen. Unsere Mütter und Großmütter wussten um die Magie der Musen, und sie gaben dieses Wissen an uns weiter. Es war ihr größter Wunsch, dass die Magie von Partholon im Ödland nicht in Vergessenheit geriet. Ergibt die Schönheit, die uns hier umgibt, nun Sinn für Euch?“
„Oh ja, das tut sie“, sagte Brighid leise. In ganz Partholon war der Tempel der Musen bekannt für seine Schule des Wissens und für die außergewöhnlichen Frauen, die dort lebten und ausgebildet wurden. Eponas Auserwählte wurde immer von den Inkarnationen der Musen unterrichtet. Sie dachte über Ciaras Worte nach. Die Situation war wesentlich vielschichtiger, als sie angenommen hatte. Und vielschichtig bedeutete, dass nichts so war, wie es auf den ersten Blick wirkte. „Eure Mutter war die Tochter von Terpsichores Inkarnation der Muse des Tanzes, aber wer war Euer Vater?“
Traurigkeit breitete sich auf dem ausdrucksstarken Gesicht der Frau aus. „Er war der Sohn einer Schülerin der Kalliope, die von den Fomorianern entführt, vergewaltigt und geschwängert wurde, als sie gerade einmal dreizehn Jahre alt war – beinahe selbst noch ein Kind.“
„Wo sind Eure Eltern jetzt?“ Brighid musste sich zwingen, diese Frage zu stellen. Bevor sie antwortete, schaute die Schamanin Cuchulainn an. Der Krieger erwiderte den Blick ruhig und ausdruckslos. Langsam wandte Ciara sich wieder ihr zu. Als sie sprach, war ihre Stimme von Trauer überschattet.
„Meine Eltern begingen vor mehr als zwei Jahrzehnten Selbstmord. Sie entschieden sich, lieber in den Armen des anderen zu sterben, als sich dem Bösen zu ergeben, das ihnen nach und nach jegliche Menschlichkeit raubte.“ Ciaras Blick durchbohrte sie geradezu. „Ich bin die Schamanin meines Volkes. Ich wurde von meiner Mutter ausgebildet, die dem Weg ihrer Mutter folgte, der Geliebten von Terpsichore. Ich würde Euch nicht belügen, Jägerin. Ich spüre, dass Ihr Wissen über die Wege der Schamanen habt. Könnt Ihr nicht die Wahrheit in meinen Worten erkennen?“
Brighid ahnte mehr, dass Cuchulainn sich aufrechter hinsetzte, als dass sie es sah. Sie hatte es niemandem gesagt – ihm nicht und nicht einmal seiner Schwester. Wie konnte Ciara davon wissen?
„Schamanen können lügen“, sagte sie schließlich. „Das weiß ich aus Erfahrung.“
„Ja, das können sie.“ Ciaras offenes, ehrliches Gesicht war von Trauer gezeichnet. „Aber ich tue es nicht.“
„Sie haben alle Selbstmord begangen“, sagte Brighid.
„Nicht alle, aber die meisten. Die anderen …“ Ciara wandte den Blick ab und faltete die Hände. Ihre Knöchel traten unter dem Druck weiß hervor, während sie versuchte, die Fassung zu wahren. „Die anderen sind dem Wahnsinn verfallen und kurz danach ebenfalls gestorben.“
„Es schmerzt Euch, darüber zu sprechen“, stellte Brighid fest.
„Ja, sehr sogar.“ Ciara zwang sich, ihre Hände zu lösen, und presste die Handflächen auf den Holztisch. „Ihr müsst verstehen, was mit uns geschehen ist, als Elphame die Prophezeiung erfüllt hat und den Wahnsinn aus unserem Blut nahm. All die langen Jahre kämpften wir gegen das Böse in uns an, obwohl uns das Schmerzen bereitete und jede Schlacht uns ein Stück unserer Menschlichkeit nahm. Und dann war dieses finstere, uns zermürbende Böse auf einmal verschwunden.“ Ciara schluckte, und in ihren Augen glitzerte es, als sie sich an den Moment erinnerte. „Was in uns allen blieb, ist das, worum wir so hart gekämpft haben. Unsere Güte. Unsere Menschlichkeit. Wir wollen uns weiterentwickeln. Wollen die Wesen werden, die unsere Mütter vor so langer Zeit schon in uns gesehen haben. Wenn ich mich an das Grauen der Vergangenheit erinnere und an diejenigen von uns, die vernichtet wurden, bevor die Erlösung kam, fühlt es sich an, als würde ich die Festung der Güte in meinem Geist zerstören. Traurigkeit kommt aus den dunklen Ecken. Ernüchterung tritt ein, bis die Erinnerung dazu führt, dass ich die Türen verbarrikadiere und den Schmerz versiegele.“
Sie schaute ihn zwar nicht an, aber Brighid spürte, dass Ciara mehr zu Cu als zu ihr sprach.
„In Gedanken bei einer Tragödie zu verweilen sorgt dafür, dass die Trauer wie ein
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