Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beseelt

Beseelt

Titel: Beseelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cast
Vom Netzwerk:
ist so, als würde man ständig von jemandem oder gar einer ganzen Gruppe beobachtet werden.“
    Die Schamanin neigte den Kopf und überlegte. „Ich empfinde das nicht als bedrängend, da Spiritualität selten eingreift, wo sie nicht willkommen ist.“
    „Vielleicht greift sie nicht ein, aber ich weiß aus Erfahrung, dass man normalerweise einen hohen Preis zahlt, wenn man Warnungen aus diesem Reich ignoriert oder zurückweist.“
    „So ist das Leben, oder nicht? Wenn du eine Gabe erhältst – ob die Verbundenheit mit dem Reich des Spirituellen oder das Talent zu musizieren oder Leder zu bearbeiten – und sie ignorierst, musst du immer einen Preis zahlen.“ Ciara machte eine Pause und presste kurz die Lippen zusammen, bevor sie mit trauriger, schwerer Stimme fortfuhr: „Ich hatte eine Schwester. Sie war die begabteste Künstlerin unseres Volkes. Doch als sie erwachsen wurde, hörte sie auf, ihr Talent einzusetzen. Sie sagte, es gäbe zu viel Hässliches um sie herum und in ihrem Inneren – sie weigerte sich, irgendwo Schönheit zu sehen, nicht einmal in den Erzählungen über die Vergangenheit. Von dem Tag an, an dem sie aufhörte zu malen, fing ihre Seele an zu sterben. Irgendwann folgte dann ihr Körper.“
    „Dein Verlust tut mir sehr leid, Ciara.“
    „Danke, Jägerin. Aber ich habe die Geschichte meiner Schwester nicht mit dir geteilt, um Mitleid zu erregen. Ich möchte nur, dass du von ihr lernst.“
    „Verstehe.“
    Schweigend saßen sie beisammen, beide tief in Gedanken versunken. Das silberhelle Feuer zwischen ihnen flackerte im Wind und warf tanzende Schatten auf Ciaras Flügel. Im Licht der von ihr entzündeten Flamme sah die Schamanin aus, als gehöre sie mehr in die Anderswelt als in diese.
Sie sollte diejenige sein, die die Seelenteile zurückholt, nicht ich
.
    Ciara schaute auf, und Brighid bemerkte zu ihrem Erstaunen Sorgenfalten auf ihrer Stirn.
    „Gestattest du mir, dich etwas zu fragen, das nichts mit dem Krieger oder seiner Seele zu tun hat?“, fragte die geflügelte Frau unvermittelt.
    Brighid nickte und hoffte, dass die Schamanin so feinfühlig war, nicht ihre Familie zu erwähnen.
    Ciaras Blick ging über den Lichtkreis hinweg zu den schweigenden Bergen.
    „Du hast den Pass durchquert. Welchen Eindruck hattest du dabei? Was hast du gespürt?“
    Brighid wollte gerade sagen, dass sie überhaupt nichts gespürt hatte, außer der alles durchdringenden Kälte und dem Bedürfnis, die Reise schnell hinter sich zu bringen, aber dann erinnerte sie sich an den Besuch des Raben und an das Gefühl, beobachtet zu werden.
    „Ich kann nicht behaupten, dass sie mich irgendetwas Bestimmtes haben fühlen lassen, doch ich muss zugeben, dass ich auf dem Weg über den verborgenen Pfad abgelenkt war. Das Einzige, was ich dir mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ich sie genauso gut oder schlecht leiden kann wie dieses trostlose Land, in dem ihr lebt.“ Sie hatte erwartete die geflügelte Frau würde mit einem sanften Lächeln auf ihre Worte reagieren, stattdessen sah sie, dass die Sorgenfalten der Schamanin tiefer wurden. „Was ist los, Ciara?“
    „Das kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es nichts. Vielleicht liegt es nur daran, dass mein Volk die Berge schon immer als eine Barriere zu allem, was gut ist, angesehen hat und ich sie deshalb verabscheue. Aber in letzter Zeit frage ich mich öfter, ob nicht mehr dahintersteckt. Sie machen mich …“ Sie sprach zögernd und suchte nach den richtigen Worten, „… argwöhnisch. Je mehr ich in ihrer Nähe bin – je näher ich ihnen komme, desto misstrauischer und unruhiger fühle ich mich.“
    „Was sagt dir das spirituelle Reich zu deinem Gefühl?“
    Ciara schüttelte den Kopf; das führte dazu, dass ihre Flügel sich rastlos bewegten. „Nicht mehr, als ich vom Kopf her bereits weiß. Dass die Berge Trier ein kalter, abweisender Ort sind, angefüllt mit Tod und verlorenen Träumen.“
    „Tod und verlorene Träume?“
    „Viele aus meinem Volk haben einen Platz in den Bergen gewählt, um ihr Leben zu beenden.“
    Brighid verzog das Gesicht, als sie sich daran erinnerte, wie sie sich einen Weg durch die steilen, spitzen Schluchten und Abgründe gesucht hatte, die sich in eine andere Welt zu öffnen schienen. Die Berge Trier boten wahrlich reichlich Gelegenheit für einen Selbstmord.
    „Rastlose Seelen …“ Sie bemerkte erst, dass sie laut gesprochen hatte, als Ciara nickte.
    „Vielleicht ist es das, was ich spüre – die rastlosen, nicht

Weitere Kostenlose Bücher