Beseelt
waren. Ihr Blick glitt über die versammelten geflügelten Wesen, und ihr fiel der aus Knochen geschnitzte Schmuck auf, den die meisten Kinder trugen, und die feine Verarbeitung der roh gegerbten Felle.
Die Historiker werden ganz schön was zu schreiben haben
. Bei diesem Gedanken musste sie lächeln. Noch eine Überraschung, auf die man in Partholon nicht vorbereitet war.
„Ah, aber wir greifen der Geschichte vor“, sagte Curran. „Terpsichore war die erste unserer Vormütter, die gestorben ist, aber nicht ohne mit ihrem Tod zugleich ein Vermächtnis des Lebens zu überbringen.“
„Das ergibt überhaupt keinen Sinn …“
Cuchulainns Gegrummel hallte in Brighids Gedanken wider. Sie warf dem Krieger einen finsteren Blick zu und legte einen Finger an ihre Lippen, weil sie keinen Teil der Geschichte verpassen wollte.
„Es war ein Sommertag wie jeder andere im Tempel der Musen. Die Bäume verbreiteten grüne Kühle in den elfenbeinweißen Marmorhallen, in denen unterrichtet wurde. Die Frauen gingen von Tempel zu Tempel, um Tanz und Dichtung und die Sterne zu studieren, und über den Wegen schwebte der süße Duft von goldenem Geißblatt. Vögel so bunt wie Edelsteine flogen zwischen den Fresken umher, die so meisterlich gemalt waren, dass sie lebendig wirkten.“
„Smaragdgrüner Efeu und breite Blumengirlanden fielen wie Vorhänge von den Dächern der Tempel.“ Nevin lächelte den Kindern zu, die genauso aufmerksam lauschten wie die Jägerin. „Sogar in den Räumen, die den Wissenschaften der Medizin und der Krankenpflege gewidmet waren, herrschten Trost und Freude. Der Tempel der Musen ist ein Ort großer Schönheit.“
„Und ein Ort des Friedens“, fuhr Curran fort. „Anders als Epona, die Schutzgöttin Partholons, sind die Musen keine Göttinnen des Krieges, und so war ihr Tempel nicht darauf ausgerichtet, als Festung gegen etwas Gewalttätigeres als Ignoranz zu dienen. Terpsichore hatte gerade die jungen Schülerinnen unterhalten, die von den kräftezehrenden Pocken befallen worden waren. Die von uns, die sie kennen, verstehen, dass die inkarnierte Göttin ihr Talent benutzte, um anderen Freude zu bringen und ihre Göttin zu ehren, auch wenn sie sich dadurch selbst in Gefahr brachte. So ist es nicht erstaunlich, dass sie ebenfalls krank wurde.“
Nevins Miene verfinsterte sich, während er die Erzählung seines Bruders nahtlos weiterführte: „Und diejenigen von uns, die sie kannten, verstehen, dass sie am Tag der großen Schlacht, als sich ihr die Möglichkeit bot, den einfallenden Dämonen zu entkommen, nicht floh und sich in Sicherheit brachte, sondern sich entschied, bei denen zu bleiben, die schwächer waren als sie.“
„Wie meine Großtante Urania!“, rief Gareth.
„Und meine Großmutter“, sagte ein anderes Kind.
„Und meine!“
Zarte Stimmen hallten durch die Nacht. Die Geschichtenerzähler warteten, nickten geduldig und hörten jedes Kind an, bis Brighid den Kleinen am liebsten zugerufen hätte, endlich ruhig und still zu sein, damit sie den Rest der Geschichte hören konnte.
Sobald Stille einkehrte, fuhr Curran fort: „Die Dämonen überrannten den Tempel der Musen. Die mutigen Zentauren und partholonischen Krieger schafften es nicht, die einfallende Armee aufzuhalten. Viele Frauen wurden entführt, sowohl inkarnierte Göttinnen als auch ihre Schülerinnen – Frauen, die zu den schönsten und talentiertesten in Partholon gehörten. Die Dämonen schändeten sie und nutzten sie, um ihre verdrehten Gelüste zu befriedigen.“
Brighids Kinn zuckte nach oben, und ihr Blick glitt hastig über die Anwesenden. Außer ihr schien aber niemand Anstoß an der brutalen Ehrlichkeit der Geschichte zu nehmen. Nevin wartete nicht einmal einen Herzschlag lang ab.
„Terpsichores unvergleichliche Schönheit fiel Nuada ins Auge, dem Anführer der Feinde. In der Nacht befahl er, dass sie tanzen solle. Er glaubte, sie tanzte für ihn, doch für wen tanzte sie wirklich?“
„Für ihre Göttin!“, kam die enthusiastische Antwort aus der Menge.
„Das ist richtig. Und während sie langsam die verführerischen Schritte tat, die dazu dienten, die Paarungszeremonie in Partholon einzuläuten, bewegte sie sich durch das Lager der Dämonen und berührte so viele von ihnen, wie sie konnte. Anstatt des Segens ihrer Göttin hinterließ sie ihnen die Erreger einer tödlichen Krankheit.“
„Wir wissen das“, sagte Nevin, und seine Stimme wurde etwas lauter, „weil sie überlebt hat, obwohl sie mit
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