Beseelt
Lächeln kehrte zurück. „Ich habe die Jägerin in den letzten Tagen sehr schätzen gelernt. Sie ist eine ehrenhafte Zentaurin.“
Er nickte erneut.
„Komm, lass uns zu den Kindern gehen. Es wird sie freuen, zu hören, dass wir beinahe schon innerhalb der Grenzen Partholons sind.“
Cuchulainn stieg ab und führte seinen Wallach zurück, aber seine Gedanken waren nicht bei dem, was er den Kindern sagen wollte. Sie weilten bei der silberhaarigen Jägerin. Er nahm sich vor, gut darauf zu achten, dass ihr nichts passierte. Seine Schwester würde ihn aufhängen und ausweiden, wenn er zuließe, dass ihrer Freundin irgendein Leid geschähe.
Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Nein. Brighid würde nichts geschehen. Dafür würde er sorgen.
Kleine Steine rutschten an der glatten Felswand zu ihrer Rechten herunter. Brighid runzelte die Stirn. Das war viel zu steil. Schmale Wege durchzogen die Seitenwände, schlängelten sich durch Felsspalten und höhlenartige Hohlräume den heimtückischen Abhang entlang. Die Ziegen waren dort oben, das verriet ihr nicht nur ihr Bauchgefühl, sondern das sagten auch die Spuren und die Fellbüschel, die sie hier und da gefunden hatte. Sie kam aber nicht an sie heran. Das war fürchterlich frustrierend.
Sie trottete beharrlich weiter, erkundete jeden kleinen Seitenpfad, während ihre Augen die Umgebung nach einer Möglichkeit absuchten, zu den höher gelegenen Höhlen und Felsspalten zu gelangen. Mehr Steine regneten die steile Wand herunter, dieses Mal begleitete sie jedoch ein gedämpftes
Umpf
.
Das war definitiv keine Ziege. Brighid blieb stehen. Ihr scharfer Blick tastete die Schatten ab, die dunkel unter den grau-roten Felsen lagen, bis sie die vertraute Gestalt entdeckte. Sie seufzte. Das war nur einer von vielen Gründen, wieso Jägerinnen normalerweise keine Kinder bekamen. Sie waren einfach lästig.
„Ich sehe dich, Liam. Komm da oben runter. Sofort.“
Er linste hinter einem breiteren Felsvorsprung hervor. Im düsteren Licht des Passes wirkte sein Grinsen ungewöhnlich strahlend.
„Ich begleite dich schon ganz, ganz lange, und du hast es nicht einmal bemerkt. Das liegt daran, dass ich meine Fähigkeiten als Jägerin trainiere.“
Brighid schnaubte. Er war ihr nicht aufgefallen, weil sie zugelassen hatte, dass Cuchulainns Probleme und Eponas unerwartete Berührung sie ablenkten. Auch von der Aufgabe, eine Horde geflügelter Kinder in ein Land zu bringen, deren Bewohner nichts mit ihnen zu tun haben wollten, war sie abgelenkt gewesen.
„Prima. Gut gemacht“, sagte sie unbeholfen, schirmte die Augen mit einer Hand ab und blinzelte zu ihm hinauf. „Jetzt komm herunter. Es ist an der Zeit, zurückzugehen und dich zu den anderen zu gesellen.“
Kein bisschen entmutigt lehnte Liam sich noch weiter über den Felsvorsprung und sah nun wirklich aus wie ein Vogelkind, das über den Rand seines Nests schaute.
„Ich kann nicht zurückgehen. Ich muss dir doch helfen!“
Brighids Magen zog sich zusammen, und sie bedeutete dem Jungen, vom Abgrund wegzutreten. Sie hasste Höhe. Allein, ihn dort an der Klippe zu sehen, bereitete ihr Unbehagen.
„Liam“, sagte sie ernst. „Häng dich nicht über den Felsen. Du könntest fallen.“
„Mach dir keine Sorgen, Meisterin! Ich habe keine Angst. Und ich kann fliegen.“
Liams graue, mit weichen Daunen besetzte Flügel entfalteten sich. Er wippte ein wenig vor, balancierte auf der Kante und ließ sich vom Luftstrom aufrecht halten.
„Ja, schön“, sagte Brighid hastig. „Ich möchte aber trotzdem, dass du zurückgehst.“ Sie versuchte zu ignorieren, dass er sie
Meisterin
genannt hatte – der Titel, den ein Lehrling für seinen Lehrer benutzte. „Du hast ausreichend bewiesen, dass du balancieren kannst.“
„Und still sein“, rief er.
„Oh, ja, definitiv. Ich denke, für heute reicht das. Klettere herunter, und lauf zu den anderen zurück.“
Liams Lächeln fiel genauso in sich zusammen wie seine Flügel. „Aber wir haben noch keine wilde Ziege erlegt.“
„Nun, eine der ersten Lektionen, die ein Jäger lernt, ist, dass man die Ziege nicht immer erwischt.“ Was redete sie da? Nichts als Blabla kam aus ihrem Mund.
„Wirklich?“ Der Junge musterte sie eindringlich.
Brighid seufzte. „Die Ziegen sind dort oben. Ich bin hier unten. Daraus folgt, dass ich heute keine Ziege erwischen werde.“
Sein funkelndes, spitzzahniges Lächeln war wieder da. „Ich kann die Ziegen runtertreiben.“
„Nein, du musst
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