Besessen
Haarsträhnen mit in ihre Fäuste gerieten.
„Glaubst du, ich geh da freiwillig noch mal hoch? Die töten mich!“ Eigentlich war ihm danach, ihre Schultern zu packen, er wollte die Finger in ihr mageres Fleisch bohren und sie schütteln. Aber sie zu misshandeln war einfach keine Herausforderung,entschied er. Das erklärte auch, warum es ihm vorhin keinen echten Genuss bereitet hatte.
„Wenn sie dich töten, töten sie mich auch!“ Sie hielt ihn fest, ihr Griff war nicht abzuschütteln.
„Wovon redest du?“ Er senkte die Stimme. In vergangenen Zeiten wäre er lieber gestorben, als Verständnis für eine kreischende Frau zu zeigen, aber sie wusste mehr als er. So ungern er es sich eingestand, er brauchte sie, und er brauchte sie in beruhigtem Zustand, damit sie ihm erzählen konnte, was sie wusste.
Cyrus sackte auf die zweite Stufe, und auch sie ließ sich nieder. So hockten sie Seite an Seite zwischen den verkohlten Steinmauern des engen Treppengangs. Sie schluckte pathetisch und rieb ihre Augen. „Wenn du stirbst, bin ich wertlos.“
Ich hatte den Eindruck, dass du sowieso wertlos bist. „Wie meinst du das?“
„Sie lassen mich nur leben, um auf dich aufzupassen. Sie wissen nicht, wie man einen … Menschen versorgt. Sie halten mich am Leben, damit ich dich pflegen kann.“ Sie merkte plötzlich, dass ihre Körper sich berührten, und rückte von ihm ab. „Wenn du stirbst, töten sie mich. Ich bin austauschbar. Das haben sie mir gesagt, als sie Vater Bart und Schwester Helen umbrachten.“
Resigniert wandte sie den Kopf ab, und er sah den blutigen Abdruck seiner Zähne in ihrem Fleisch. Er schaute weg. „Was ist, wenn ich mich umbringe? Was, wenn ich in die Küche gehe, ein Messer nehme und mir die Handgelenke aufschlitze?“
„Nein!“ Sie griff wieder nach ihm, aber er wich ihr aus, auch wenn seine Knochen vor Erschöpfung schmerzten.
„So. Du bist also verantwortlich dafür, dass es mir gut geht, und haftest dafür mit deinem Leben. Bisher hast du weniggetan, um meine Lebensfreude zu steigern. Da sind Rasierklingen im Bad und Messer in den Küchenschubladen. Das sagt mir, dass es dir egal ist, ob du lebst oder stirbst.“ Er studierte ihr Gesicht, während sie seine Worte verdaute.
Entmutigt sah sie zu Boden, ihre Stimme kaum ein Flüstern. „Würdest du dich umbringen?“
Würde er? Das würde diese miserable menschliche Existenz beenden. Aber sie hatten ihn aus dem Reich des Todes zurückgeholt, und ganz gewiss zu einem bestimmten Zweck. Das konnten sie wohl schwerlich ein zweites Mal tun. Und es war ja nicht mal gesagt, dass er eine Rasierklinge heben konnte, um sich aufzuschlitzen. „Nein. Ich wünsche nicht zu sterben.“ Er rutschte eine Stufe tiefer, entschlossen, sie nicht mehr anzusehen.
„Ich auch nicht“, flüsterte sie. „Zumindest glaube ich das.“ Das gab ihm eine vage Hoffnung, etwas gegen sie in der Hand zu haben, falls nötig.
„Dann hältst du mich besser am Leben.“
„Da sind wir“, verkündete Max und ließ seine Sporttasche auf den dicken Teppichboden fallen. Das schwach blecherne Geräusch, mit dem sie aufschlug, war der einzige Hinweis darauf, dass wir uns in einem Flugzeug befanden.
„Air Fang One?“
„Au, der war schlecht.“ Max lümmelte sich auf ein cremefarbenes Sofa mit Seidenbezug und legte die Füße hoch, als wäre es eine Secondhand-Couch im Studentenwohnheim. „Nimm Platz, es ist ein langer Flug.“
Ich konnte den Blick nicht vom prächtigen Dekor des Privatjets wenden. Wände, Teppich und Mobiliar waren in gedämpften neutralen Pastelltönen gehalten. Warmes Licht ergoss sich aus verdeckten Quellen und hob das dunkleHolzfinish der Tischplatten und des ausgedehnten Unterhaltungsbereichs am Ende der Kabine hervor. „Das hier ist schicker als mein Apartment.“
„Es gibt jede Menge Orte, die schicker sind als dein Apartment.“ Max ließ eine Konsole in der Lehne der Couch aufschnappen. Elegant glitt eine Fernbedienung heraus. Er schnappte sie und drehte sich zum Fernseher. „Zum Beispiel mein Apartment.“
Neugierig beäugte ich ein kleines rundes Tischchen und zwei robust wirkende Ohrensessel, optisch sehr ansprechend, besonders durch die farblich abgestimmten Sicherheitsgurte, aber wahrscheinlich nicht sonderlich bequem. „Willst du die ganze Zeit auf dem Sofa rumlümmeln?“
„Wie bitte?“ Max riss sich von einer anscheinend japanischen Fernsehshow mit Oben-ohne-Kandidatinnen los und setzte sich auf. „Oh, nein.
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