Besessen
Entschuldige. Du möchtest eine Führung?“
„Gibt’s noch mehr zu sehen?“ Ich war schon von diesem Raum beeindruckt genug.
Max erhob sich und deutete auf die stoffbespannten Paneele in der einen Wand. „Komm mit.“
Selbstverständlich befand sich dort eine versteckte Türklinke, eingearbeitet in eine Elfenbeinmulde. Max öffnete sie und gab den Blick auf einen schmalen Gang frei, ähnlich den Gängen in kommerziellen Fliegern, dahinter sah ich ein Cockpit mit dem ganzen Arsenal blinkender Lämpchen und leuchtender Skalen. Zwei Piloten in Standarduniform verständigten sich über Headsets mit dem Tower, während sie Knöpfe drückten und Instrumente überprüften. Sie wirkten ganz normal. Menschen eben.
„Die Bewegung beschäftigt Menschen?“, fragte ich halblaut, als Max mich wieder zum Passagierbereich führte.
„Werwölfe“, knurrte Max düster. „Im Hauptquartier wimmelt es geradezu davon. Sie sind auch gegen Vampire, deshalb findet es die Bewegung ganz toll, sie an Bord zu haben. Willst du das Schlafzimmer sehen?“
„Du Draufgänger.“ Ich stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. „Ich hoffe, es gibt zwei Betten, andernfalls kannst du beten, dass der Flug nicht lange dauert.“
„Der Flug ist gar nicht so lang“, gab er zu. „Das Problem ist das Warten auf den Sonnenuntergang auf dem Rollfeld.“
Beim Gedanken an den Sonnenaufgang geriet ich in Panik. Es war eine Sache, im Schutz eines großen, fest gebauten Hauses auszuharren, wenn der Morgen dämmerte, oder auch in Ziggys altem Ford-Econoline-Laster. Ein Flugzeug schien dagegen schrecklich riskant. „Wir hocken in diesem Ding mit der Sonne am Himmel?“
„Ja. Doch.“ Max wirkte erschreckend unbekümmert. „Langer Flug, kurze Nacht. Besonders, seit wir durchfliegen. Was glaubst du wohl, warum sie dieses alte Mädchen ohne Fenster gebaut haben?“
„Oh Gott! Was ist, wenn wir abstürzen? Max, wir könnten sterben!“
„So? Wir würden auch sterben, wenn wir als Menschen abstürzen. Wenn du dir Sorgen machen willst, dann sorg dich lieber darum, ob die Piloten uns vielleicht für ihre Zwecke killen.“ Nach dieser beruhigenden Anmerkung führte mich Max zum anderen Ende der Kabine, wo er eine Mahagonitür mit Goldbeschlägen öffnete. Am Ende eines schmalen Flures lag ein weiterer, gleichartig geschmackvoller, gleichartig neutraler Raum mit einem Doppelbett.
„Verdammt.“ Er schüttelte den Kopf, als wäre er tief enttäuscht. „Außer, du willst teilen?“
„Ich passe. Nimm es nicht persönlich. Ich bin im Momentganz aufs Verdrängen meiner Gefühle konzentriert.“ Es war nicht besser geworden, aber ich tat mein Bestes, nicht darüber nachzudenken. Darin war ich sehr gut geworden, seitdem meine Eltern tot sind. Solange ich den Kummer verdrängte, konnte er mich nicht außer Gefecht setzen, wenn wichtigere Dinge meine Aufmerksamkeit erforderten. Ich sank aufs Bett und schloss die Augen. „Ich habe meine Tasche in dem anderen Raum gelassen.“
„Ich hol sie dir.“
Als Max mit der Tasche wiederkam, überflog ich schnell den Inhalt. Ich hatte mich entschieden, mein Herz im Wandsafe von Nathans Laden zu lassen. Nachdem wir es von Cyrus zurückgeholt hatten, war es in Nathans Verwahrung. In Sicherheitsfragen war er unübertroffen. Die Schachtel, die mein Herz enthielt, war feuerfest und zugeschweißt. Nichts außer der totalen Apokalypse konnte dem Inhalt etwas anhaben. Dennoch war ich machtlos gegen das Gefühl der Angst, den der Gedanke an die Trennung von der Schachtel auslöste. Ich wusste, in dem Safe konnte ihm nichts zustoßen – und, es dazulassen, war weit schlauer als der Versuch, ein Menschenherz durch den Zoll zu schmuggeln. Trotzdem – ich musste mir immer wieder sagen, dass die Angst um mein Leben irrational war.
Eine schlanke, freundlich aussehende Vampirin klopfte höflich an den Türrahmen, um uns auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Ein breites Grinsen zog sich über Max’ Gesicht, als er sie ansah. „Sie sind neu hier.“
Die junge Frau errötete, dann fiel ihr ein, dass sie zu professionellem Auftreten verpflichtet war. „Ja, das bin ich. Mein Name ist Amanda. Ich bin Ihre Flugbegleiterin auf dem heutigen Flug.“
„Ich bin Max. Max Harrison. Ich bin Ihr Passagier.“ Erreichte ihr die Hand, und sie schüttelte sie mit einem Ausdruck milder Verblüffung.
Dann richtete sie einen entschuldigenden Blick auf mich. Ich winkte ab. „Er gehört nicht zu mir.“
„Der Kapitän sagt, wir sind
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