Besessen
hier fertig?“
Sie lächelte. In ihrer verzerrten Fratze wirkte das Lächeln monströs. Dann stand sie ebenfalls auf. „Bevor ich gehe …“
Sie zog einen Umschlag aus ihrer Lederweste und reichte ihn ihm. Stirnrunzelnd öffnete Cyrus die Lasche und zog den Inhalt heraus.
Polaroidfotos. Er und Mouse, Seite an Seite in dem schmalen Bett während der letzten Nacht. Sein Arm war schützendum ihre schlanken Schultern geschlungen, sein Kopf ruhte an ihrem Hals.
„Ich bin froh zu sehen, dass es dir hier unten so gut geht.“ Angies Gesicht verwandelte sich und nahm seine menschliche Form an. Als Vampir sah sie besser aus.
Mit trockenem Mund schob Cyrus die Fotos in seine Tasche. Er sagte nichts, aber er wusste, was los war. Die Fangs hatten gemerkt, dass Mouse ihm etwas bedeutete. Dieses Wissen war eine hervorragende Waffe, von deren Existenz er nichts geahnt hatte, bis er sie mit eigenen Augen sah. Sie konnten ihr wehtun, um ihn zu testen, um ihn zur Zusammenarbeit zu zwingen, oder einfach, weil sie es spaßig fanden, ihn zu martern.
„Es ist doch hilfreich zu wissen, was wir an Verhandlungsmasse haben, findest du nicht auch?“ Angie drückte ihre Zigarette auf der Plastiktischplatte aus.
Mit trockenem Mund nickte Cyrus. „Ich nehme es an.“
Bevor er etwas von seiner Selbstsicherheit wiedergewann, musste er einige Schritte Richtung Tür machen. Dann blieb er stehen und sah sie an. „Denkt dran, ich habe auch Verhandlungsmaterial. Ich brauche sie. Ich bin immer noch zu schwach, um für mich selbst zu sorgen.“ Eine Lüge, aber leicht aufrechtzuerhalten. „Wenn sie stirbt, sterbe ich, und du verlierst dein Geld.“
„Deinem Vater sein Geld zurückzuzahlen, wäre in dem Fall meine kleinste Sorge.“ Angie verschränkte die Arme über der Brust. „Nebenbei, ich kann dich jederzeit noch mal zurückholen.“
Cyrus beobachtete sie, bis sie am Ende der Treppe verschwand und die Tür hinter sich schloss. Dann rannte er hoch und verriegelte sie, wobei er sich im Geiste beschimpfte, nicht den Schlüssel verlangt zu haben, oder womit sie auchimmer hereingekommen war.
Mouse hockte noch auf der Bettkante, die dünnen Arme um sich selbst geschlungen. Über ihre Knie gekrümmt, schniefte sie leise.
„Verdammt.“ Cyrus konnte sich einen Fluch nicht verkneifen. „Was ist los?“
Sie sah auf, die großen geröteten Augen voller Tränen. „Was passiert, wenn du weg bist? Was werden sie mit mir machen?“
„Es wird alles klargehen.“ Er hasste sich für das leere Versprechen. Schließlich hatte er selbst keine Ahnung, was passieren würde, wenn sein Vater nach ihm schickte. Dennoch setzte er sich neben sie aufs Bett und konnte nicht verhindern, dass ihm noch mehr fromme Lügen von den Lippen perlten. „Ich sorge dafür, dass dir niemand etwas antut.“
Du warst doch auch unfähig, die anderen zu retten, höhnte eine gemeine Stimme in seinem Kopf. Die Anspielung auf sein früheres Versagen bei der Rettung seiner Kameraden störte ihn nicht so sehr wie der Umstand, dass er plötzlich von ihr in dieser Kategorie dachte.
„Und was, wenn sie … dich verwandeln?“ Es fiel ihr anscheinend schwer, die Worte auszusprechen. „Wenn du einer von ihnen bist, wirst du mich dann töten?“
Wahrscheinlich. Er dachte daran, was sein Vater Nolen angetan hatte: Er hatte ihn gezwungen, sich vom Blut des Menschen zu ernähren, den er mit seinem letzten menschlichen Atemzug beschützen wollte. Wenn die Fangs ihn verwandelten und mit Mouse einsperrten, würde die Zeit kommen, wo er sie töten musste. Und wenn sein Vater die Tat selbst ausführte, sollte Mouse doch besser unter seinen Händen sterben.
Doch all das erzählte Cyrus ihr nicht. „Nein. Ich würde kein hirnloses Monster werden. Ich verspreche, ich werde dich nie verletzen.“
In Wahrheit hatte er deutlich das Gefühl, dass sie beide schon tot waren.
8. KAPITEL
Opfer der Umstände
Max Harrison hatte Michigan nie gemocht. Jetzt landete er irgendwie ständig dort.
Carrie hatte er in Ziggys altem Schrotthaufen von Laster losgeschickt. Er hatte sie mit einem stillen Gebet verabschiedet, sowie einem Dutzend falscher Versprechungen, der Wagen werde schon durchhalten. Normalerweise mochte er Lügen nicht, aber sie hatten keine Wahl. Max brauchte sein Auto, um Nathan ausfindig zu machen, und der fensterlose Kasten des Lieferwagens verschaffte Carrie tagsüber Schutz vor der Sonne.
Den Schlüssel zur Wohnung hatte sie ihm mit den Worten überlassen, er solle sich
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