Besser schreiben für Dummies (German Edition)
Psychologe
»Wäre also im ganzen die Redekunst nicht eine Art Führung der Seelen durch Reden?« Diese Frage legt Platon dem Sokrates in den Mund. Und in der Tat ist es so. Als guter Redner und erst recht beim Schreiben führen Sie Ihr Gegenüber, und zwar dorthin, wo Sie es haben wollen. Das wiederum kommt ganz auf die Textsorte an. Mit einem Beipackzettel führt man den Leser zur gesundheitsfördernden Einnahme eines Medikaments, mit einem Arbeitszeugnis führt man ihn zu der entsprechenden Beurteilung, mit einer Werbebroschüre zum Konsum. Das alles funktioniert aber nur, wenn man über den Leser Bescheid weiß. Man muss seine äußeren Umstände kennen und seine Psyche. Das sind seine Bedürfnisse, seine Sehnsüchte und Wünsche, aber auch seine Ängste und Unsicherheiten. Wenn Sie das alles erkunden und damit arbeiten, sind Sie als Psychologe unterwegs.
Als Psychologe arbeiten Sie mit den Eigenarten und Verhaltensweisen des Lesers.
Der Autor als Verführer
Die schönste Art der Seelenführung ist die Verführung, denn die ist für den Verführten ein Genuss. Er merkt nicht, dass er geführt wird; er hört auf zu fragen und zu zweifeln und lässt sich ganz auf das Geschehen ein. Er folgt ihm ohne Widerstand. Er überlässt sich dem Text.
Die Verführung ist Aufgabe der schönen Literatur, aber sie kann auch bei Sachtexten gelingen. Das erlebt man dann, wenn man beim Lesen nichts Fremdes mehr empfindet. Der Text kommt einem dann vor wie etwas Eigenes.
Stephen King als einer, der es ja wissen muss, schreibt in seiner Autobiographie: »Beim Schreiben geht es nicht um den korrekten Gebrauch der Grammatik, sondern darum, es dem Leser gemütlich zu machen und ihm eine Geschichte zu erzählen. Im Idealfall vergisst er sogar, dass er überhaupt eine Geschichte liest.... Schreiben heißt verführen. Ein gutes Gespräch ist auch Verführung. Warum sonst landen so viele Paare, die den Abend mit einem Essen beginnen, schließlich im Bett?«
Als Verführer lassen Sie den Leser vergessen, dass er geführt wird. Er versinkt im Text.
3
Was zu sagen haben
In diesem Kapitel
Ein wahres Thema
Ein gutes Maß
Ein starker Gehalt
D ie erste Regel des guten Stils ist, dass man etwas zu sagen hat. Das klingt selbstverständlich, wird aber ebenso selbstverständlich ignoriert. So gehen etwa Tag für Tag vierzig Milliarden E-Mails um den Globus, Spams nicht eingerechnet. Wie viele dieser Mails tatsächlich notwendig sind, können sie hochrechnen, wenn Sie in Ihre eigene Mailbox schauen. Insgesamt wird weit mehr geschrieben, als schreibenswert ist. Deshalb ist es so wichtig, über den Redegegenstand nachzudenken.
Das Nachdenken in diesem Kapitel stützt sich auf die vier Grundprinzipien der Kommunikation, die der englische Sprachphilosoph Paul Grice formuliert hat. Sie betreffen die Qualität der Beiträge, die Quantität, die Relation und die Modalität. In der Kategorie der Qualität geht es darum, welche inhaltlichen Kriterien ein Beitrag erfüllen soll. Die Quantität bezieht sich auf die Menge der Information, die ein Beitrag enthalten soll. Die Relation fragt danach, was für einen Beitrag relevant ist. Die Modalität schließlich bestimmt, wie etwas gesagt werden soll.
Die vier Kategorien überschneiden sich, sodass Sie unwillkürlich von der einen zur anderen gelangen. Von daher ist es leicht, sich die Schritte einzuprägen. Sie können sie bei jedem Text anwenden und damit sicherstellen, dass Sie gehaltvoll schreiben.
Qualität
Die Qualitätsanforderung ist in erster Linie auf die Wahrheit gerichtet: Sie sollen Beiträge so gestalten, dass sie wahr sind. Das heißt:
Sie sollen nicht lügen und betrügen.
Sie sollen nichts behaupten, was Sie nicht beweisen können.
Beides — die Moral wie die Sachkenntnis — kann im Berufsleben zu schwierigen Textentscheidungen führen, insbesondere dann, wenn Sie weisungsgebunden und unter Zeitdruck arbeiten.
Die große Frage der Wahrheit hat eine weitere Frage an ihrer Seite, die in ihrer Unscheinbarkeit leicht übersehen wird. Das ist die Frage nach der Substanz: ob es sich überhaupt um etwas handelt, was die Welt wissen will. Darüber sollte man sich als Allererstes Gedanken machen.
Der Rede wert
Im Englischen gibt es eine schöne Redensart für alles, was mittelmäßig, gewöhnlich, nicht bemerkenswert ist: »It’s nothing to write home about.« Es ist nichts, worüber man nach Hause schreiben würde. Und das will schon etwas heißen, denn die Lieben zu Hause
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