Besser so als anders
dem ein kleines Kind verletzt worden war. Wütend wandte Hannah sich ab und hielt nach einem passenden Tanzpartner Ausschau.
J oe
J oe hatte von Hannahs Auftritt auf der Tanzfläche gar nichts mitbekommen, bis Bee in seine Richtung marschiert kam und ihre Schleppe wie einen Fischschwanz hinter sich herzog.
»Onkel Joe«, sagte Bee und neigte sich zu ihm. »Ich brauche dich. Jetzt sofort.«
»Wenn das mal nicht meine süße, frisch vermählte Nichte ist«, antwortete Joe, immer noch an Vickis Seite. »Suchst du einen Tanzpartner?«
»Ich brauche einen Fahrer, und zwar sofort!«
Joe blickte auf und sah die Dringlichkeit in Bees Blick. Aus der Nähe und im Schimmer der Zeltbeleuchtung erkannte er, dass ihr Make-up angefangen hatte, sich in ihren Stirnfalten zu sammeln. Die dunklen Ringe unter ihren Augen schienen unter dem Concealer durch, der langsam zu verdampfen schien.
»Was immer du willst, Kind«, sagte er liebevoll. »Was soll ich tun?«
»Du musst Hannah ins Hotel fahren«, sagte Bee und zeigte auf ihre Brautjungfer, um die sich auf der Tanzfläche ein Kreis gebildet hatte. Hannah hatte einen Tanzpartner gefunden, der genauso betrunken war wie sie, und schwenkte nun nicht mehr ihre Hüften. Sie presste sich mit ihrem ganzen Körper an Bees Bruder Eric, der mit seinen fünfundzwanzig Jahre jungen Händen ihren Rücken umklammerte, als reite er einen mechanischen Bullen. Hannah hatte eine Hand um seinen Hals gelegt und hielt in der anderen ihr Inhalationsspray, das, wie Bee wusste, immer oben im Bund ihrer Strumpfhose steckte. Nach den schockierten und hochroten Gesichtern von Matts Cousins zu urteilen, die wild klatschten, während Hannah und Eric vor ihnen tanzten, war nicht auszuschließen, dass die beiden öffentlich geknutscht oder Schlimmeres vorgeführt hatten.
Vicki sprang entsetzt auf. Sie zog ihre Tasche unter ihrem Stuhl hervor, während Bee Joes Arm umklammerte.
»Wir müssen sie rausschaffen! Hilfst du mir, sie auf ihr Zimmer zu bringen?«
»Ich hole nur schnell ihre Sachen«, bot Vicki an. »Ihr Koffer und ihr Geldbeutel sind im Turm, hat sie gesagt. Ich hole sie und komme gleich wieder zurück.«
Joe strahlte vor Stolz darüber, dass Vicki so pragmatisch reagierte und ganz gezielt das Kommando übernahm. In dem Moment erinnerte sie ihn an seine Freundin Sarah, die oft auch nach Dienstschluss die große Organisatorin spielte.
»Joe, ich bin gleich wieder da«, sagte Vicki. »Bee, würdest du freundlicherweise Hannah von deinem Bruder losreißen und sie auf die Abfahrt vorbereiten?«
Die beiden nickten. Joe drückte Vickis Arm zum Zeichen, dass er alles regeln würde. Dann griff er nach seinem Autoschlüssel in der Tasche und überlegte, wie lange es wohl dauern würde, Hannah ins Bett zu bringen, und ob er und Vicki danach in seinem Zimmer landen würden.
Vicki
V icki rannte, so schnell sie es auf ihren Stöckelschuhen fertigbrachte, was nicht viel schneller war als ihr normales Schritttempo. Sie eilte durch das Zelt an Tom vorbei und wich seinem Blick aus, als er versuchte sie heranzuwinken, weil er vermutlich über die torkelnde Hannah reden wollte und was sie mit ihr zu tun gedachten. Draußen versuchte Vicki ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen und den Turm zu finden, aus dem Bee und die Brautjungfern vor Stunden gekommen waren. Sie hatte Hannah versprochen, an ihren kleinen Koffer mit Wäsche, Führerschein, Handy und Geldbeutel zu denken, egal wie viel beide getrunken hätten. Hannah würde vor ihrer Abfahrt nach New York morgen früh nicht mehr genug Zeit haben, um noch einmal zum Turm zu kommen und ihre Sachen zu holen.
Die Wendeltreppe, die in die oberen Räume des Turms führte, war beängstigend schmal und erinnerte Vicki an das Set eines Horrorfilms oder noch eher an eine Kulisse aus einem Buch von V. C. Andrews. Als sie am oberen Ende der Treppe angekommen war, blieb sie stehen und sah sich in der leeren Suite um, die aus zwei Zimmern mit Samtsofas bestand, vor denen Koffer standen, die wohl den Brautjungfern gehörten. Die Szenerie erinnerte zwar nicht unbedingt an Rosen im Gebälk , auch wenn es ein Dachgeschoss war, sie sah eher so aus, wie Vicki sich das Wohnhaus in Morgendliche Geheimnisse immer vorgestellt hatte, dem zweiten Buch der Serie von V. C. Andrews über eine Tänzerin, die herausfindet, dass ihr Großvater in Wirklichkeit ihr Vater ist. Doch bevor sie länger in diese Fantasiewelt abtauchen konnte, schüttelte sie den Kopf und rief sich wieder ihre
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