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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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später verließ der ehemalige Sheriff diesen Weg und fuhr etwa hundert Meter in den Wald. Äste schlugen gegen seinen Pick-up. Nachdem er auf einer mittelgroßen, von kerzengeraden Nadelbäumen umstandenen Lichtung angehalten hatte, stiegen die beiden Männer aus und marschierten über ein dickes Tannennadelbeet.
    »Ist es hier passiert?«, wollte Nautilus wissen.
    »Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Ein Mann, der Jagd auf Eichhörnchen machte, hat die Leiche gefunden – oder das, was noch davon übrig war. Nach Aussage des Leichenbeschauers war das Opfer zu dem Zeitpunkt erst drei Stunden tot.« Reamy zog eine Augenbraue hoch. »Der Kerl, der die Leiche gefunden hat, ist hinterher nie wieder auf die Jagd gegangen.«
    Reamy trat auf einen heruntergefallenen Ast, blieb stehen und ließ den Blick schweifen. »Day war ganz in der Nähe und somit auch als Erster hier. Schätzungsweise zehn Minuten bevor ich auftauchte. Wir parkten beide auf der Straße, weil wir Schiss hatten, irgendwelche Hinweise zu vernichten. Reifenspuren und so was in der Art. Ich bin die kleine Schneise runtergelaufen, die das Wild geschlagen hat.«
    Er deutete auf einen kleinen Pfad, der sich durchs Unterholz schlängelte.
    »Dort lagen überall Kiefernnadeln, weshalb Day mich nicht kommen hörte. Wie hypnotisiert stand er neben dem Leichnam und rührte sich nicht. Als er mich dann hörte, riss er sich zusammen und winkte. Das war echt merkwürdig, aber Day war auch ein komischer Typ. Kurz darauf kam der Rest der Truppe, die State Police, der Gerichtsmediziner und die Kollegen.«
    »Wieso hat Day den offiziellen Bericht verfasst und nicht Sie?«
    »Weil er ein Auge fürs Detail hatte und das entsprechende Vokabular beherrschte. Er hat damals auch die Fotos gemacht und zwanzig Filme verknipst. Jeden Fleischfetzen und jedes Organ hat er fotografiert, aus allen möglichen Perspektiven. Ist sogar auf einen Baum geklettert, um von oben Bilder zu machen. Er konnte gar nicht genug davon bekommen.«
    »Was war Ihre Aufgabe in dem Fall?«
    »Wir haben hauptsächlich die Leute vor Ort befragt. Die Leute von der State Police und die FBI-Agenten von der Dienststelle in Alabama haben sich um alles andere gekümmert. Diese verfluchten Fotos lagen Ewigkeiten auf Days Schreibtisch herum, als wäre das sein Fall und nur seiner. Er sammelte auch die Berichte. Und alle Infos, die später reinkamen. Eines Tages – seit dem Mord war fast ein Jahr vergangen – legte er den Fall ad acta, als wäre er gelöst. In Wahrheit war das erst acht Jahre später der Fall.«
    »Hatten Sie je eine bestimmte Person als Täter in Verdacht?«
    »Den Ridgecliff-Jungen, einen dünnen, klugen und gut aussehenden Burschen, der nur selten den Mund aufmachte, haben wir nie verdächtigt. Und als dann die Wahrheit herauskam, war ich ganz schön baff.«
    »Bei unserem gestrigen Gespräch hatte ich den Eindruck, dass Sie Day nicht besonders mochten.«
    Reamy senkte den Blick und kickte einen Kiefernzapfen weg. »Als er bei uns anfing, glaubte ich, einen Treffer gelandet zu haben. Day hatte das beste Zeugnis, das ich je von einem Bewerber erhalten habe. Wie sich später herausstellte, passte er leider nicht zu uns. Im Endeffekt war er ein Einzelgänger, denke ich.«
    »Ich kenne eine Menge Typen, die lieber für sich und trotzdem gute Polizisten sind.«
    Reamy ging zu dem Zapfen und kickte ihn in die Bäume. »Ich habe ihn mal gebeten, alles zu putzen, was in der Waffenkammer verstaut war. Ich hatte Nachtschicht, ging auf Streife und kam so gegen drei Uhr früh zurück, was Day gar nicht mitbekam. Er hatte etwa zwanzig Waffen auseinandergenommen, Gewehre, Revolver, Spezialwaffen. Die Einzelteile lagen auf Zeitungen auf dem Boden, und er saß mittendrin …« Reamy nahm die Kappe ab und kratzte sich an der Stirn.
    »Und?«, drängte Nautilus ihn.
    »Ich könnte schwören, dass er einen Ständer hatte.«
    »Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Ich habe ihn nie wieder gebeten, die Waffen zu reinigen. Aber wie ich schon sagte: Er tat, worum man ihn bat. Niemand mochte ihn besonders, und keiner hatte etwas gegen ihn. Er war drei Jahre bei uns, und als er ging, hatte ich den Eindruck, als fiele allen ein Stein vom Herzen.«
    Sie stiegen wieder in den Wagen. »Könnten wir an dem Haus vorbeifahren, wo die Ridgecliffs wohnten?«, fragte Nautilus. »Falls es kein großer Umweg ist.«
    »Ist nicht weit von hier. Und außerdem habe ich sowieso nichts anderes zu tun, als mich um meine

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