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Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
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schlicht eingerichtetes Zimmer mit Doppelbett, Kommode und einem kleinen Badezimmer mit Toilette und einem Waschbecken. Seidenvorhänge hingen an heraldisch geschwungenen Stangen vor den Fenstern. Max unterzog das Zimmer einer gründlichen Durchsuchung und schaute auch durch die Gitter vor den Fenstern, hinter denen es drei aus Kalkstein gemauerte Stockwerke in die Tiefe ging. Er hatte sich solche Kontrollen zur Regel gemacht. Dann löste er das Messer von seinem Fuß und deponierte es unter einem dicken Taschenbuch auf seinem Nachttisch. Es war eine Geschichte der Dendrologie, genau die richtige Bettlektüre für ihn.
    Während er in den Schlaf hinüberdämmerte, erschien vor seinem geistigen Auge dieses riesige Tier, dieser Dickhäuter ... Und ich habe bis jetzt wirklich geglaubt, ich hätte schon alles gesehen ...

 
    KAPITEL 21
     
    J ames und Martin hatten sich in die Bibliothek gesetzt. James hatte eine Flasche Wein aus dem Keller geholt und schenkte nun jedem ein Glas ein.
    »Wer oder was hat meinen Vater getötet, James?«
    »Wilderer«, antwortete er.
    Wenigstens begann dies einen Sinn zu ergeben. Ein seltsamer Elefant, zwei Brüder, die lange gemeinsam die Natur studierten, was immer das heißen mochte. Eine Farm, die in Wirklichkeit ein Château war und wahrscheinlich eine Art raffiniertes von den Vorfahren geerbtes Steuerfluchtmodell, das einige der lebendigen, hochgeschätzten Tiere des exzentrischen Bruders beherbergte, welche der bei seinen über viele Jahrzehnte hinweg durchgeführten heimlichen Streifzügen in genau jene exotischen Bereiche der Welt gesammelt hatte, deren Besuch Martins Mutter das Leben gekostet hatte. Also hatten Wilderer ihr Geheimnis entdeckt, und jetzt war sein Vater ebenfalls tot.
    »Und deshalb hast du die ganze Zeit damit gewartet, irgendetwas darüber verlauten zu lassen? Aus Furcht davor, dass die Polizei hierherkommt? Deshalb machst du dir Sorgen, dass jemand deine Telefongespräche mithören könnte? Dass irgendjemand mich verfolgt? Aber du beschäftigst doch gelegentlich Handwerker, Elektriker, nimmst die Post und ihren Service in Anspruch, zahlst Steuern, hinterlässt also selbst jede Menge alltäglicher Spuren, die man bis zu diesem Ort hier verfolgen kann.«
    James schüttelte langsam den Kopf, wie ein sorgenvoller Vater, und hielt inne, als wäre er im Begriff, es sich anders zu überlegen und alle weiteren Diskussionen ein für allemal zu beenden. Martin konnte erkennen, dass James nicht wusste, wie er anfangen sollte.
    »Nehmen wir doch zuerst einmal dieses Wollhaarmammut, Alice. Sollen sie nicht zusammen mit Säbelzahntigern und Dinosauriern und ähnlichem Getier längst ausgestorben sein?«, fragte Martin.
    »Mammuthus primigenius starb wahrscheinlich infolge eines Krankheitserregers, eines Pathogens, aus. Vor vierzehntausend Jahren waren nur noch wenige Exemplare übrig. Europa, Nordamerika und andere Teile der Welt erlebten mit, wie sie langsam erloschen. Klimawechsel. Menschliche Jäger. Wälder, die in einigen Regionen versanken. Eine typische Entwicklung, die ständig im Gange ist, wie heute jedermann weiß.«»Und du und Edward? Wie passen seine ornithologischen und deine ... ich weiß nicht, wie ich sie beschreiben soll, deine vielfältigen Studien da hinein? Ich weiß ja nicht einmal, was ihr in all den Jahren getrieben habt, aber was habt ihr mit wissenschaftlichen Abhandlungen über ausgestorbene Tierarten zu tun? Hängt das vielleicht mit unserer Familiengeschichte, mit diesem Anwesen und vielleicht sogar mit dem Tod meiner Mutter zusammen? Und wenn diese Farm aus irgendeinem Grund vor dem verhängnisvollen Klimawechsel verschont wurde oder sich als idealer Ort erwies, um zum Beispiel diese angeblich ausgestorbenen Wollhaarmammute am Leben zu erhalten, dann bin ich doch überrascht, wie lange es gedauert hat, bis irgendwelche Wilderer Wind von diesem Ort bekommen haben.«
    »Es gibt da eine Geschichte, von der du nichts weißt. Die Geschichte deiner Familie, Martin.«
    James beugte sich vor. »Folgendes ist passiert. Es war mitten in der Nacht. Wilderer sprengten einen Teil der alten Mauer. Sie ist über siebzehn Meilen lang, irgendwann im 12., möglicherweise aber auch im 13. Jahrhundert erbaut, also gleichzeitig mit dem Château.«
    »Aber die Einheimischen ...«
    »Für sie ist es nicht mehr als ein heruntergekommenes altes Jagdschloss.«
    »Der Briefträger? Installateure? Steuerbeamte? Bäcker? Neugierige Nachbarn? Es gibt immer gewisse Vorfälle

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