Bestiarium
Maler behauptete, das Konzept der »naturalistischen Landschaft« unter der Herrschaft Karls V. entdeckt zu haben. Hinzu kam der Boucicaut-Meister, gelegentlich mit dem flämischen Architekten, Tafel- und Buchmaler Jacob Coene gleichgesetzt, dessen eigenes berühmtes Stundenbuch mit seiner berühmten Totenmesse von einem Château oder politischen Familienverband zum nächsten wanderte und schließlich nach Paris und in die Hände von Madame Jacquemart-André vom berühmten Museum des gleichen Namens gelangte.
Boucicaut ... Margaret versuchte sich an diesen Namen festzubeißen, nachdem sie einmal das Getty Museum beim Kauf von einem der grandiosesten Bilder aller Zeiten von Boucicaut, Adam und Eva im Paradies, beraten hatte. Es war Teil einer Handschrift mit geradezu herzzerreißend schönen Verzierungen, wie es sie zuvor und später nie gegeben hatte. Sein Wert auf dem heutigen Markt betrug zig Millionen Dollar.
Die Liste nahm kein Ende: Étienne Chevalier, der königliche Schatzmeister Karls VII. Egerton, ein bedeutender Sammler von Stundenbüchern, der seine Sammlung der British Library vermacht hatte. René von Anjou. Der Meister der Delfter Grisailles. Bezborodko, eine Stundenbuch-Signatur, die sie mit eigenen Augen in der Amsterdamer Bibliotheca Philosophica Hermetica gesehen hatte. Der Meister von Guillebert de Mets, eine Signatur, an die sie sich aus der so genannten Gold-Scrolls-Gruppe im Walters Art Museum in Baltimore erinnerte. Sie kannte auch Pierre Gourdelle, dessen Aquarelle verschiedener Vögeln zwischen 1550 und 1560 geschaffen worden waren. Und da war Isaac van Oosten, ein flämischer Vogelmaler des 17. Jahrhunderts.
Dann ein Louis Jean Pierre Vieillot, von dem sie noch nie gehört hatte. Und andere: Johannes Laurentzen, Hippolyte Salviani, Christophorus Gottwald, de Réaumur, Erik Pontoppidan, Dru Drury, Regenfuss, Carl von Meidinger - allesamt Namen, die ihr fremd waren.
Aber plötzlich fiel ihr Blick auf einen bekannten Namen - er sprang sie geradezu von der Buchseite an: Robinet d'Estampes, Schatzmeister des Herzogs Jean de Berry, ein Angehöriger des Hauses Bayern-Holland und der bedeutendste Förderer der Buchmalerei, der je gelebt hatte. Gefolgt in willkürlicher Ordnung von Konrad von Gesner, dem bedeutenden Schweizer Botaniker, Glaziologen und, nach vielfacher Einschätzung, Begründer der modernen Zoologie, aus dem 16. Jahrhundert, und gleich nach ihm Titian, dessen Signatur sie sofort erkannte: Vecellio, die für Tiziano Vecelli beziehungsweise Vecellio stand. Palma Vecchio war dort. Und Philip II., Velasquez, Giorgione und Sir Thomas Morus. Alle Namen ohne Datum. Aber sie kannte sich in Geschichte aus.
Ein Who's who der ... sie wusste nicht, wovon. Außer dass es eine einzige Gemeinsamkeit gab, die ihr Interesse weckte - Natur. Jeder der Künstler, die sie erkannte, hatte ein Meisterwerk an Gartenmalerei geschaffen. Die meisten waren Utopisten wie Morus oder Jan Brueghel der Ältere, genannt »Samt-Brueghel«, während der langen Leidenszeit nach seiner Italienreise Ende des 16. Jahrhunderts. Paradies-Szenen wie Einzug der Tiere in die Arche, ein Bild, das Margaret ein Jahr zuvor im Getty Museum in Los Angeles gesehen hatte, und sie hatte auch den begleitenden Kommentar Adrianne Faber Kolbs in ihrem Buch zu der Ausstellung gelesen. Kolb analysierte darin die vielen Tierarten in den verschiedenen Menagerien, die von der burgundischen Königsfamilie in Gent, Brüssel und Antwerpen zusammengetragen worden waren. Laut Kolb hatte dies mit der verwegenen Sammlertätigkeit Philips des Guten kurz nach 1446 begonnen, der Löwe und Luchs, Wolf und Steinbock der Menagerie hinzufügte.
Margaret sprang in Gedanken zu den prächtigsten Malereien in der Geschichte dieser Kunstform: den Meistern unbekannter Herkunft. Meister wurden in diesem Fall diejenigen genannt, deren wahre Identität nicht gesichert war. Andere hatten mutmaßliche Identifikationen, deren berühmteste sich ebenfalls auf dem Blatt Papier befand: eine Signatur, die Bening lautete. Der Vater und/oder Sohn, angeblich Hofmaler der reichsten Frauengestalt der Geschichte, Maria von Burgund.
»Maria von Burgund«, flüsterte Margaret, während sie mit einem Finger sacht über die Unterschrift strich. »Ist das möglich?«
Martin blickte zu seiner Frau. »Ja. James sagt, die Oliviers seien ihre direkten Nachkommen. Ich sah ihr Bild an der Wand des Châteaus.« Er war bei Weitem nicht so überwältigt, wie seine Frau es anscheinend
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