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Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
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Telefon kann geortet werden. Rufen Sie das IWS an. Beschaffen Sie sich die Koordinaten. Finden Sie heraus, wo um alles in der Welt dieser Ort ist und wem er gehört. Und hören Sie gut zu. Ich brauche zwei Peilungen. Und zwar schnell.«
    Und dann, nachdem er die Verbindung unterbrochen hatte, unternahm er den naheliegenden logischen Schritt. Er wählte die Nummer, die Le Bon soeben überprüfte. Auf dem Display seines Mobiltelefons erschien keine Nummer.
    Eine alte Stimme, außer Atem und sehr schwach, meldete sich zögernd. »Oui?«
    Simon hielt inne und sagte nichts.
    »James, bist du das?«, fragte die Stimme.

 
    KAPITEL 46
     
    M artin und Margaret kamen nach fünf Stunden in Brügge an. Es war früher Nachmittag. Sie buchten ein Zimmer in einem Hotel an einem der Hauptkanäle. Martin duschte, dann streckte er sich auf dem großen Doppelbett aus.
    Er schloss die Augen und richtete sich nach ein paar friedlichen Sekunden mit einem Ausdruck des Erschreckens ruckartig von seinem Kissen auf.
    »Was ist los?«, fragte Margaret. Sie hatte am Fenster gestanden und vom dritten Stock aus über die mittelalterliche Stadt zum einsamen Turm der Liebfrauenkirche geblickt, hinter der sich das Gruuthuse-Museum befand.
    »Liebling, einen Dodo! Ich habe einen verdammten Dodo gesehen!« Und dann, indem er in Gedanken der Spur der wundervollsten Kreatur folgte, der er je begegnet war, fügte er hinzu: »Wir hätten umkehren sollen. James ist in Schwierigkeiten.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wenn dies der richtige Schlüssel ist, dies das richtige Museum und deine Vorfahren ihre rechtmäßigen Erben nicht völlig für dumm verkauft haben, sollten wir irgendwann morgen Mittag mit dem Buch unterm Arm wieder zurück sein. Kann er bis dahin durchhalten? Bist du bereit, es zu riskieren? Denn wenn wir das Buch finden, ist jeder Vorteil auf unserer Seite«, gab sie zu bedenken.
    Er erwiderte nichts darauf. Es war nicht zu übersehen, dass er innerlich hin- und hergerissen und bereit war, sofort zum Château zurückzukehren. Er vertraute nicht auf einen günstigen Ausgang und ärgerte sich über die vergeudete Zeit, als Margaret den Hörer des Zimmertelefons abnahm und das Museum anrief. Sie erfuhr, dass ihr Bekannter sich wegen eines Treffens außer Haus befand und an diesem Tag nicht mehr zurückkäme.
    Margaret legte den Hörer auf die Gabel und sagte: »Eine kleine Verzögerung. Bist du okay?«
    »Ich denke schon.«
    Sie trat wieder ans Fenster neben ihrem Balkon. Sie brauchte einen Moment der Ruhe, um nachzudenken, und blickte über die Dächer von Brügge zum Museum, in das sie hoffentlich noch vor Einbruch der Dunkelheit hineingelangen würden. Die ursprünglichen Eigentümer hatten vor fünfhundert Jahren den Handel mit Gerstenbier kontrolliert. Um 1900 war der Palast von Lodewijk van Gruuthuse - der von Geburt an den Titel des Earls of Winchester getragen hatte und ein Berater Karls des Kühnen gewesen war - in das offizielle Museum umgewandelt worden, das die außerordentliche Kunstsammlung Gruuthuses beherbergte. Margaret hatte mit einem ihrer Kuratoren zusammengearbeitet.
    Der historische Gruuthuse war ein enger Freund der Familie Marias von Burgund gewesen, in gewissem Sinn sogar ihr Beschützer und Mentor ihres Sohnes Philip. Er war im November 1492 gestorben und im Palast beerdigt worden.
    Margaret kannte Brügge sehr gut und hatte Kunden mit einer Geschichte bekannt gemacht, die mehr Schätze hervorgebracht hatte als jede andere Stadt der Welt, Venedig ausgenommen. Die Vielfalt außerordentlicher Kunstwerke ließ die meisten potenziellen Käufer bescheiden werden. Es waren mehr als nur ein paar Millionen Euros nötig, eher schon zehn oder zwanzig oder fünfzig Millionen sowie eine straffe Zeitplanung, hieb- und stichfeste Verträge und langwierige Echtheitsprüfungen, um in den kleinen Kreis derer zu gelangen, in deren Besitz sich die großen flämischen und burgundischen Meister befanden.
    Zu ihrer Rechten befanden sich der Marktplatz und der hohe Belfried der Tuchhallen. Ein Stück weiter entfernt standen die Basilika des Heiligen Bluts und das markante Groeninge-Museum mit seinen beiden Jan van Eycks. Und noch weiter weg das Gruuthuse selbst und Onze Lieve Vroukerk oder Liebfrauenkirche, hundertdreißig Meter hoch, aus Ziegeln gemauert und angeblich das zweitgrößte Backsteinbauwerk der Welt, nur wenig kleiner als der Dom von Antwerpen. Sie ragte in einer Weise auf wie kein anderes Gebäude auf der ganzen

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