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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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sagte er bedächtig.
»Vielleicht möchten Sie hierherkommen?« schlug er vor und
blickte auf den Terminkalender. »Wie wäre es mit heute
nachmittag vier Uhr?«
Sharon überlegte und bezwang ihre innere Unruhe. »Das
paßt mir nicht sehr gut«, antwortete sie. »Ich meine – also, es
handelt sich nur bedingt um eine medizinische Frage. Es ist
etwas, worin ich Rat brauche, und …«
MacCallum richtete sich steil auf. Als Mark nach der
Schlägerei ins Krankenhaus eingeliefert worden war, hatte
Sharon Tanner den Eindruck einer starken Frau auf ihn
gemacht, die selbstsicher war und selten zögerte, ihre
Gedanken auszusprechen. Nun aber stammelte sie herum,
suchte nach Worten und war anscheinend unfähig, ihm zu
sagen, was sie bedrückte.
Sie mußte wirklich Angst haben, daß ihr Telefon abgehört
wurde.
Und ihr Mann stand bei Tarrentech an zweiter Stelle!
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich habe im Ort noch
ein paar Dinge zu erledigen. Wenn Sie wollen, könnten wir
vielleicht eine Tasse Kaffee miteinander trinken.«
Sharon fühlte sich beinahe knieweich vor Erleichterung. Er
hatte verstanden und ging auf sie ein. »Ja, das würde mir sehr
gut passen«, sagte sie. »Ich habe auch noch Besorgungen zu
machen. Sagen wir, in einer halben Stunde?«
»Einverstanden«, sagte MacCallum. Er legte auf, saß eine
kleine Weile nachdenklich am Schreibtisch, stand dann auf und
ging hinaus. Als er sich beim Empfangsschalter abmeldete,
blickte Susan Aldrich neugierig auf. »Seit wann nehmen Sie
den Nachmittag frei?«
MacCallum lächelte: »Seit diesem Anruf eben«, sagte er.
»Sieht so aus, als hätten wir gerade einen Riß in der Großen
Chinesischen Mauer der Abschirmung um Tarrentech
gefunden.«
Jerry Harris’ privates Haustelefon summte diskret, und sofort
nahm er den Hörer ab, der ihn direkt mit dem Sicherheitsbüro
im Untergeschoß verbinden würde. »Harris. Was gibt’s?«
»Könnte nichts sein«, antwortete die Stimme am anderen
Ende. »Aber Mrs. Tanner ist in den letzten paar Tagen viel am
Telefon gewesen und hat versucht, Charlotte LaConner
ausfindig zu machen. Und jetzt hat sie ein Treffen mit
MacCallum verabredet.«
Harris machte ein nachdenkliches Gesicht. »Gut«, sagte er
nach kurzer Überlegung. »Ich möchte, daß dieses Treffen
überwacht und mitgehört wird, und ich möchte sofort wissen,
was da geschieht.« In dem Wissen, daß seine Befehle ohne
Wenn und Aber ausgeführt wurden, legte er den Hörer auf und
wandte sich wieder dem Studium der Akte zu, die vor ihm auf
dem Schreibtisch lag.
Sie enthielt einen vollständigen Bericht der experimentellen
Verfahrensschritte, die Dr. Martin Ames im Falle Mark Tanner
ausgeführt hatte.
    Sharon war versucht, den Wagen zu nehmen, überlegte es sich
aber in letzter Minute anders. Sie wußte, daß es töricht war,
daß sie ein weiteres Mal den gleichen paranoiden Gedankengängen nachgab, die sie zu den Überzeugung geführt hatten,
daß ihr Telefon abgehört wurde. Trotzdem war es besser, wenn
es aussehen würde, als hätte sie nichts weiter im Sinn als einen
Einkaufsweg. Sie zog den zusammenklappbaren Einkaufskarren aus dem Besenschrank, mühte sich einen Augenblick
damit ab, bevor er plötzlich in ihren Händen auseinanderging
und der Drahtboden herunterklappte, dann ging sie zur
Garderobe und zog ihre Parka an. Erst als sie ausgehbereit war,
öffnete sie als letztes das Gefrierfach und nahm das kleine
Päckchen mit den toten Tieren heraus. Sie tat es zuunterst in
ihre große Tasche und hängte sie über die Schulter. Darauf
verließ sie das Haus durch die Hintertür, den kleinen Karren
unbeholfen nachziehend, und erreichte über die Garagenzufahrt
die Straße.
    Es war ein kalter Nachmittag, aber der Himmel war wolkenlos, eine kobaltblaue Kuppel über dem Tal, die das Gefühl
verstärkte, Silverdale sei vom Rest der Welt abgeschnitten und
zugänglich nur für die wenigen Leute, die das Glück hatten,
hier zu leben.
    Freilich hatte die Perfektion der Stadt in Sharon mehr und
mehr klaustrophobische Empfindungen geweckt, und mit der
Zeit war sie zu der Auffassung gekommen, daß nahezu alle
Einwohner von Silverdale ein Leben führten, das in der einen
oder der anderen Weise genauso künstlich zurechtgemacht und
sorgfältig geplant war wie die Gemeinde, die sie beherbergte.
    Sie sah ein paar andere Frauen mit Einkaufskarren durch die
Straßen gehen und nickte denen zu, die sie nicht kannte, und
sprach mit denen, deren Bekanntschaft sie schon

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