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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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selbst belog.
Die Veränderungen kamen zu rasch und waren zu
ausgeprägt, um normal zu sein.
Am vergangenen Abend hatte sie sogar einen Anlauf
genommen, mit Blake darüber zu sprechen, doch hatte er sie
abgewiesen, wie er es in letzter Zeit mit allen außer den alltäglichsten und banalsten Themen zu tun pflegte. »Sei froh«, hatte
er ihr geraten. »Er wird endlich erwachsen.«
Sie öffnete den Kühlschrank und nahm eine Packung
Orangensaft heraus, und einen Augenblick ruhte ihr Blick auf
dem kleinen, in Butterbrotpapier gewickelten Päckchen, das
ganz hinten lag. Es erweckte den Anschein eines übriggebliebenen Fleischrestes, der dem Hund zugedacht war oder
den man wegzuwerfen vergessen hatte, aber sie wußte, daß es
nicht so war. In dem Papier waren die Kadaver der beiden
Nagetiere, die sie im Gebäude der Tarrentech vor der
Verbrennung bewahrt und mitgenommen hatte.
Sie hatte niemandem davon erzählt, hatte sie nicht einmal
ausgepackt. Dabei hatte sie das bestimmte Gefühl, das sie sehr
wichtig waren, und daß sie, bis sie genau wußte, was mit ihnen
zu tun wäre, nicht einmal ihrem Mann davon erzählen durfte.
Sie nahm das Päckchen heraus, tat es ins Gefrierfach und
schloß den Kühlschrank.
Eine Stunde später, als Blake und Mark zum Frühstück
herunterkamen, beobachtete sie verstohlen ihren Sohn und
suchte in seinem Gesicht nach Zeichen von Veränderungen.
An diesem Morgen glaubte sie, sie zu sehen.
Es war eine Härte in Marks freundlichen Zügen, die früher
gesehen zu haben sie sich nicht erinnern konnte.
    Drei Stunden später trabte Mark in den Umkleideraum, um sich
fürs Training umzuziehen, und merkte, daß er sich diese
Woche zum ersten Mal in seinem Leben tatsächlich auf die
Stunde auf dem Übungsplatz freute. Noch immer war er unter
den letzten, die ausgewählt wurden, wenn die Klasse in
Mannschaften aufgeteilt wurde; aber gestern waren noch vier
Jungen unglücklich beisammengestanden und hatten gewartet,
wer von ihnen die ›Niete des Tages‹ sein würde – eine Ehre,
die bis dahin unweigerlich Mark zuteil geworden war –, als
einer der Mannschaftskapitäne zu Marks Überraschung seinen
Namen aufgerufen hatte.
    Und er hatte beim gestrigen Footballtraining gut gespielt. Er
hatte zwei Querpässe gefangen und einen davon in ein Tor
umgewandelt, nachdem es ihm mit Erfolg gelungen war, zwei
Gegnern auszuweichen, die versucht hatten, ihn zu Fall zu
bringen.
    So zog er heute mit angenehmen Empfindungen sein
Turnzeug an und trottete mit den anderen aufs Feld hinaus.
Dort erwartete ihn eine neue Überraschung, als der Lehrer,
kurz nachdem sie sich für die zehn Minuten Leibesübungen
aufgestellt hatten, mit denen jede Stunde begann, ihn aus der
Reihe gerufen und in die Turnhalle geschickt hatte.
    Der Mut verließ ihn, als er Phil Collins dort warten sah, und
er fragte sich, was er falsch gemacht haben konnte, daß der
Footballtrainer glaubte, ihn zusammenstauchen zu müssen.
Aber Collins lächelte ihm liebenswürdig zu.
    »Ich habe Gutes über dich gehört, Tanner«, rief Collins ihm
zu. Der Trainer stand am anderen Ende der Turnhalle und hatte
einen großen, lederbezogenen Medizinball unter dem Arm.
»Marty Ames erzählt mir, du hättest eine Menge Muskeln
zugelegt.«
    Mark grinste in verlegenem Stolz. »Kann schon sein.«
»Sehen wir mal, was du kannst«, fuhr Collins fort. Ohne
Warnung hob er den Medizinball und schleuderte ihn auf
Mark, der inzwischen auf etwa zehn Schritte herangekommen
war. Mark blieb keine Zeit zum Überlegen, doch statt seinem
gewohnten Instinkt nachzugeben und dem schweren Gegenstand auszuweichen, stellte er ein Bein vorwärts, fing den
Medizinball und warf ihn sofort mit genug Wucht zurück, daß
Collins ein wenig ins Wanken geriet, als er ihn fing.
»Nicht schlecht«, bemerkte der Trainer und hob
anerkennend die rechte Braue. »Willst du das Kletterseil
versuchen?« Er nickte zu dem dicken Nylontau, das in
regelmäßigen Abständen mit großen Knoten besetzt war und
von einem schweren Haken an der Decke hing.
Mark sagte nichts, ging zum Seil und zog daran. Dann faßte
er es mit beiden Händen und hob seinen Körper vom Boden. Er
ließ die Linke los und bewegte sie schnell zum nächsthöheren
Knoten, wiederholte den Prozeß dann mit der Rechten. Ohne
auch nur darüber nachzudenken, bog er dabei automatisch den
Körper in den Hüften von Seite zu Seite, so daß seine Beine
nahezu parallel zum Boden waren, während er sich gleichmäßig höherzog. Oben hielt er einen

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