Bestien
verzog sein
Mund sich in einem unverschämten Grinsen. »Ja«, sagte er.
»Marty ist ein Schwuler, und wir machen es alle miteinander.
Ist es das, was du hören willst?«
»Mark!« rief Sharon aus, deren Blick sofort zu Kelly ging,
die neugierig ihren Bruder anstarrte. »Wie in aller Welt kannst
du an so etwas auch nur denken?« fragte sie, bevor ihre
Tochter sich zu Wort melden konnte.
Mark zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Es scheint nur,
daß du etwas gegen das Zentrum hast, das ist alles.«
»Es ist nicht ›etwas‹, wie du sagst«, sagte Sharon mit
gepreßter Stimme. »Ich möchte lediglich wissen, was du getan
hast, das ist alles. Und wenn du nicht willst, daß ich dir Fragen
stelle, kannst du anfangen, mir Antworten zu geben.«
Marks Augen blitzten zornig. »Meinetwegen!« fuhr er auf.
»Wenn es dir so verdammt wichtig ist, will ich dir sagen, was
ich gemacht habe. Ich ging hin und zog mein Turnzeug an, und
sie machten Messungen, Puls und Blutdruck und Lungenkapazität und Körperlänge. Recht so?« Er durchbohrte sie mit
einem Blick, gab ihr aber keine Gelegenheit, etwas zu
erwidern. »Und dann arbeitete ich zwanzig Minuten auf dem
Trockenruderer. Und das war dann alles, und ich kam nach
Haus. Bist du damit einverstanden?«
Sharon schrak ein wenig zurück, betroffen von der Intensität
seines Zornes. Dann riß ihr selbst der Geduldsfaden. »Sprich
nicht in diesem Ton mit mir, junger Mann«, fuhr sie ihn an.
»Und nein, es ist mir nicht recht!« fuhr sie fort, plötzlich
entschlossen, alles herauszulassen. »Für die einfachen
Untersuchungen, die du angibst, und dann zwanzig Minuten
auf dem Trockenruderer, braucht man keine zwei Stunden.«
Marks Augen wurden schmal. Warum hackte sie auf ihm
herum? Er hatte nichts getan. Aber so machte sie es immer.
Immer beobachtete sie ihn, als täte er etwas Unerlaubtes, und
starrte ihn beim Essen an, als wäre er ein Monstrum oder was!
Helle Wut lohte in ihm, und seine Hände ballten sich wie von
selbst zu Fäusten. »Was kümmert es dich, was ich da draußen
tue?« stieß er hervor. »Du willst bloß, daß ich aufhöre, dorthin
zu gehen, nicht? Du willst, daß ich wieder ein mickriger
Schwächling werde!«
Sharon funkelte ihren Sohn an; sie zitterte am ganzen
Körper. So hatte sie es sich ganz und gar nicht vorgestellt: Sie
hatte sich mit Mark zusammensetzen und in Ruhe über alles
reden wollen, ihre Sorgen erklären und sich anhören, was er
über seine Erfahrungen im Sportzentrum zu berichten hatte.
Nun aber standen sie einander in einer Konfrontation
gegenüber, und Sharon begriff, daß sie jede Herrschaft über
ihren Sohn verlieren würde, wenn sie zurückwich. »Du hast
recht«, sagte sie. »Ich wünsche, daß du nicht mehr dorthin
gehst. Ich weiß nicht, was Ames mit dir macht, aber du bist
nicht derselbe Junge, der du vor einem Monat warst. Und was
ich sehe, gefällt mir nicht.«
»Dir gefällt nicht, was du siehst«, imitierte Mark sie in
einem rauhen Singsang. Seine Sicht trübte sich ein wenig, und
er schien seine Mutter durch einen rötlichen Dunst zu sehen.
Aus den Tiefen seines Unterbewußtseins stieg ein fast
unkontrollierbares Verlangen, sie zu schlagen, und er tat einen
halben Schritt auf sie zu.
Chivas knurrte leise, spannte seine Muskeln. Sein Blick
wich nicht von Marks Gesicht, und der Schwanz, vor einem
Augenblick noch hochgehalten, sank zum Boden.
»Jetzt ist es genug!« rief Sharon aus. »Du kannst in dein
Zimmer gehen und dort bleiben, bis du dich bei mir
entschuldigen willst!« Sie wartete einen Augenblick, aber
Mark rührte sich nicht vom Fleck. »Hast du nicht gehört?«
stieß sie nach.
Eine Aufwallung blinder Wut durchströmte Mark. Jeder
Muskel seines Körpers schien zu prickeln, und in seinem Hirn
hörte er eine winzige Stimme flüstern, die verlangte, daß er der
angestauten Wut Luft mache.
Mit einem halberstickten Geräusch, das in seiner Kehle
krächzte, hob er die Faust und tat einen Schritt vorwärts. Doch
ehe er seiner Mutter näher kommen konnte, sprang Chivas ihn
an. Mit einem zornigen Knurren, die Lefzen zurückgezogen,
katapultierte der große Hund sich auf seinen Herrn. Mark
wankte unter dem Gewicht des Aufpralls rückwärts, riß
instinktiv die Arme hoch, sich zu schützen, und packte den
Hund mit beiden Händen um die Gurgel.
Sharon stand erstarrt und sah mit geweiteten Augen auf das
Schauspiel vor ihr. Marks Augen wirkten glasig, seine Kiefer
waren so aufeinandergepreßt, daß die Sehnen seines Halses
herausstanden.
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