Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
Abendessen mit
dem Nautilusgerät zu arbeiten, das Chuck ihm im letzten
Sommer gekauft hatte. Gleich nach dem Abendessen hatte er
das Haus verlassen, und seither hatte sie nichts von ihm
gesehen und gehört.
Die Standuhr in der Diele am Fuß der Treppe schlug zwei,
und Charlotte wandte sich vom Fenster. Mit gemischten
Gefühlen – teils Angst, teils Verärgerung, daß sie so weit
gekommen war, ihren eigenen Mann zu fürchten – ging sie
zum Bett und schüttelte Chuck. Er hörte auf zu schnarchen,
entzog sich ihrer Hand und wälzte sich auf die andere Seite. Sie
schüttelte ihn wieder, und er öffnete blinzelnd die Augen.
»Was gibt es?« murmelte er. »Wie spät ist es? Gott,
Charlotte, kannst du nicht das Licht ausmachen?«
»Es ist zwei Uhr früh, Chuck. Und Jeff ist noch nicht zu
Haus.«
Chuck stöhnte. »Und deswegen weckst du mich? Lieber
Himmel, Charlotte, als ich in seinem Alter war, blieb ich die
Hälfte der Zeit die ganze Nacht weg.«
»Du vielleicht«, erwiderte sie spröde. »Und deinen Eltern
war es vielleicht egal. Aber mir ist es nicht egal, und ich werde
die Polizei anrufen.«
Das ermunterte ihn augenblicklich. »Warum willst du das
tun, zum Henker?« Er setzte sich im Bett auf und starrte
Charlotte an, als ob sie den Verstand verloren hätte.
»Weil ich mir Sorgen um ihn mache«, fuhr Charlotte auf.
Die Sorge um ihren Sohn überwand die Furcht vor seiner
scharfen Zunge. »Weil mir nicht gefällt, was mit ihm
geschehen ist und wie er sich benommen hat. Und weil ich
wissen will, wo er sich nachts herumtreibt!«
Sie zog den Morgenmantel schützend unter der Kehle
zusammen und eilte aus dem Schlafzimmer. Sie war schon
unten in der Diele, als Chuck sie in seinem alten wollenen
Bademantel, den er trotz der Mottenlöcher und ausgefransten
Säume nicht wegwerfen wollte, einholte, ihr den Telefonhörer
aus der Hand nahm und auflegte. »Augenblick. Ich werde nicht
zulassen, daß du Jeff in Schwierigkeiten mit der Polizei
bringst, bloß weil du ihn bemuttern willst.«
»Ihn bemuttern!« wiederholte Charlotte. »Um Himmels
willen, Chuck! Er ist erst siebzehn! Und es ist zwei Uhr nachts,
und es gibt in ganz Silverdale kein Lokal, das noch offen hätte.
Also wo ist er, wenn nicht bereits in Schwierigkeiten?«
»Vielleicht bleibt er bei einem Freund über Nacht«, sagte er,
aber Charlotte schüttelte energisch den Kopf.
»Das hat er nie getan. Und wenn es so wäre, würde er
angerufen haben.« Kaum waren die Worte heraus, da mußte sie
sich eingestehen, daß sie ihnen selbst nicht glaubte. Vor einem
Jahr, noch vor ein paar Monaten hätte sie Jeff vertraut, daß er
sie informieren würde, wo er war und was er tat. Aber jetzt?
Sie wußte es nicht. Noch konnte sie ihre Sorgen Chuck
anvertrauen, da er darauf beharrte, daß nichts fehle; daß Jeff
eben heranwachse und flügge werde; man müsse ihn die Flügel
erproben lassen.
Als sie nach den rechten Worten suchte, die ihre Ängste
ausdrückten, ohne den Zorn ihres Mannes weiter zu erregen,
ging die Haustür auf, und Jeff kam herein.
Er schloß sie hinter sich und war bereits an der Treppe, als
er seine Eltern sah, die in ihren Morgenmänteln in der Diele
standen und ihn anstarrten. Er sah sie einen Moment mit einem
stumpfsinnigen Ausdruck an, als ob er sie nicht wiedererkenne,
und Charlotte schoß der Gedanke durch den Kopf, daß er
aussah, als hätte er Drogen genommen.
»Jeff?« sagte sie. Dann, als er keine Reaktion zeigte, rief sie
ihn noch einmal, diesmal lauter: »Jeff!«
Er richtete einen ausdruckslosen Blick auf sie. »Was?«
Seine Stimme nahm den gleichen mürrischen Ton an, der ihr in
letzter Zeit so vertraut geworden war.
»Ich verlange eine Erklärung«, sagte sie. »Es ist nach zwei,
und ich möchte wissen, wo du gewesen bist.«
»Draußen«, sagte Jeff und wollte sich abwenden.
»Halt, junger Mann!« befahl Charlotte. Sie marschierte zum
Fuß der Treppe und schaltete die Treppenhausbeleuchtung ein.
Heller Lichtschein fiel auf Jeff, und ihr stockte der Atem. Sein
Gesicht war schmutzig, an seinen Wangen waren Blutschmierer. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, als hätte er
seit Tagen kaum geschlafen, und er schnaufte, daß sein
Brustkorb sich hob und senkte.
Dann hob er die rechte Hand zum Mund, und bevor er
anfing, an den Knöcheln zu lutschen, konnte Charlotte sehen,
daß dort die Haut abgerissen war.
»Mein Gott«, hauchte sie. Ihr Zorn verflog. »Jeff, was ist
mit dir geschehen?«
Seine Augen verengten sich. »Nichts«, murmelte er

Weitere Kostenlose Bücher