Bestien
fühlte ihn kommen, konnte
jedoch nichts dagegen tun. Dabei gab es keinen Grund – er
hatte diese Prozedur Hunderte von Malen durchgemacht, und
sie hatte ihn nie gestört.
Diesmal aber brachte sie ihn in Rage.
»Lassen Sie das, verdammt noch mal!« brüllte er los. »Was
zum Teufel fällt Ihnen ein?« Er schlug den kleinen Gummihammer beiseite und sprang vom Untersuchungstisch. Wut
brannte in seinen Augen, er ballte die Fäuste.
Ames tat einen raschen Schritt rückwärts und blickte zu
Collins, der Jeff sofort von hinten mit beiden Armen umfaßte
und an sich drückte. In dem kurzen Augenblick, bevor Jeff sich
von der Überraschung erholen konnte, stieß Ames ihm eine
Injektionsnadel in den Arm und drückte auf den Kolben der
Spritze. Jeff erstarrte in Collins Umklammerung, und als die
Droge Wirkung zeigte, fühlte er seine Wut schwinden und
entspannte sich. Collins gab ihn frei, und Jeff sank zurück auf
den Untersuchungstisch.
Das letzte, was er hörte, als er in Bewußtlosigkeit
hinüberglitt, war der Klang von Ames’ Stimme, die Collins
sagte, er solle seine Eltern anrufen und ihnen sagen, wo Jeff
sei. Es werde alles in Ordnung kommen, sagte Ames, aber der
Junge würde den Rest der Nacht in der Klinik verbringen
müssen.
Aber würde alles in Ordnung kommen?
Martin Ames wußte es nicht.
Es war ein Alptraum, mußte einer sein. Was mit ihm geschah,
konnte nicht wirklich sein.
Schreckliche, blendende, sengende Schmerzen folterten
seinen ganzen Körper, Schmerzen, die seine Seele zerrissen.
Er schien von Dunkelheit umgeben, doch konnte er selbst in
der pechschwarzen Finsternis der Folterkammer genau sehen.
Er war nicht allein.
Er konnte die anderen sehen, einige an die Wände gekettet,
andere auf die Streckbank in der Mitte des Raumes gespannt.
Und er konnte ihre Schreie hören – qualvolle Schreie, die sich
aus ihrem tiefsten Inneren losrissen und von den steinernen
Wänden widerhallten, um von neuen Schreien und jämmerlichem Winseln abgelöst zu werden, bevor sie verklangen.
Auch die Kerkermeister waren da, jeder mit einem anderen
Folterwerkzeug bewaffnet, ohne auf die durchdringenden
Klagen und Bitten ihrer Opfer zu achten. Einer von ihnen kam
jetzt auf Jeff zu, ein rotglühendes Brandeisen vor sich in den
Händen. Er schien Jeff zuzulächeln, und durch die Schreie und
das Winseln glaubte Jeff den Mann lachen zu hören, als er ihm
das glühende Eisen gegen den Schenkel preßte.
Der süße Geruch brennenden Fleisches kam ihm in die
Nase, sein Magen drehte sich um und ließ ihn heiße Galle in
die Kehle steigen. »Neeiiin!« winselte er, und sein ganzer
Körper warf sich gegen die Ketten, die ihn auf die Folterbank
fesselten. »Neeiiin!«
Sein eigener Schrei befreite ihn endlich aus dem Griff des
furchtbaren Traumes, und er fuhr bolzengerade in die Höhe.
Eine blendende Flut weißen Lichtes schien ihm in die
Augen. Er mußte mehrere Male zwinkern, bis seine Sicht klar
wurde.
Er atmete schwer; seine Lungen brannten, als ob sie
explodieren wollten, als er nach Luft schnappte.
Leute umgaben ihn; einen Augenblick drohte der Traum ihn
abermals zu überwältigen, und er sperrte den Mund zum
Schreien auf. Dann aber fing er sich.
Es waren nicht die Kerkermeister und Folterknechte. Diese
Männer waren wirklich, und sie trugen weiße Kittel so weiß
wie der Raum, worin er saß.
Krankenhaus.
Er war in einem Krankenhaus.
Allmählich kehrte sein Erinnerungsvermögen zurück und
versorgte ihn mit Bruchstücken, die bald zu einem Bild
zusammenwuchsen. Er begann sich zu beruhigen.
Er war in der Sportklinik. Der Trainer hatte ihn hergebracht,
und Dr. Ames sorgte für ihn. Also konnte nichts schiefgehen.
Drei Pfleger waren da, drei Männer, die er sofort
wiedererkannte.
Sie gehörten zum Personal, waren seine Freunde.
Aber sie sahen ihn mit seltsamen Blicken an, beinahe so, als
fürchteten sie sich vor ihm.
Er hob die Hand, seine Augen gegen das gleißende Licht zu
beschirmen, und dabei fiel sein Blick auf den Ledergurt.
Er war fest um sein Handgelenk geschnallt, aber das freie
Ende war angerissen und zerfasert, beinahe als ob …
Als ob er angeschnallt gewesen wäre und es irgendwie
fertiggebracht hätte, sich loszureißen.
Er schluckte angestrengt und fühlte, daß seine Kehle wund
und trocken war, genauso wie sie es immer war, wenn er einen
Nachmittag Spielanweisungen brüllend auf dem Footballplatz
verbracht hatte.
Er versuchte, die Beine vom Tisch zu nehmen und gerade zu
sitzen, fand aber, daß er es nicht
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