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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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müssen alles hundertprozentig angehen, hat mein Vater immer gesagt, er sagte es zu jedem, zu meiner Mutter, zu meinen Schwestern, zu mir, wenn wir es nicht hundertprozentig angehen, scheitern wir schon, bevor wir überhaupt angefangen haben. Aber wasist in diesem Falle hundertprozentig? Habe ich nicht hundertprozentig auf diese Arbeit hingearbeitet? Vielleicht habe ich zweihundertprozentig darauf hingearbeitet, vielleicht sogar dreihundertprozentig, das wäre dann eine Katastrophe. Aber dieser Gedanke war natürlich unsinnig. Dein Fehler ist, hatte meine Schwester gesagt, daß du dich in deinem Haus vollkommen isolierst, daß du überhaupt keine Freunde mehr aufsuchst, wo wir doch so viele Freunde haben. Sie sagte die Wahrheit. Aber was heißt: Freunde! Wir kennen mehrere, vielleicht sogar viele Leute, einige die noch nicht gestorben oder für immer verzogen sind, noch aus der Kindheit, wir sind jedes Jahr sehr oft hingegangen, sie sind zu uns ins Haus gekommen, aber Freunde sind sie deshalb noch lange nicht. Meine Schwester bezeichnet bald jemanden als Freund, sogar solche Leute, die sie kaum kennt, wenn es in ihre Berechnung paßt. Wenn ich es genau überlege, habe ich überhaupt keinen Freund, ich habe, vom Ende meiner Kindheit an, niemals mehr einen Freund gehabt. Freundschaft, was für ein aussätziges Wort! Die Leute führen es jeden Tag bis zum Überdruß im Mund und es ist vollkommen abgewertet, mindestens so abgewertet wie das zutodegetrampelte Wort Liebe. Dein größter Fehler ist, daß du nicht mehr spazieren gehst, früher bist du stundenlang aus dem Haus gegangen, durch die Wälder, über die Felder, an den See und hast dich wenigstens an deinen eigenen Grundstücken erfreut. Heute gehst du nicht mehr aus dem Haus, das ist das Schädlichste, sagte sie, gerade sie, die überall und bei allen als gehfaul bekannt ist und in den drei Wochen, die sie hier war, nicht ein einzigesmal einen Spaziergang gemacht hat. Aber sie hat natürlich auch nicht die Krankheit, denke ich, die ich habe. Ich müßte spazieren gehen. Aber nichts langweilt mich mehr. Nichts ödet mich mehr an, legt sich mir qualvoller auf Herz und Lunge, wie Spazierengehen. Ich bin kein Naturmensch , ich war nie ein Naturmensch, ich ließ mich niemals zu einem solchen Naturmenschen zwingen. Dann weiten sich deine Lungen,sagte sie höhnisch und trank daraufhin ein ganzes Glas Sherry aus, Agustín Blázquez natürlich, der einzige, der ihr gerade teuer genug ist. Sie läßt ihn sich von ihren Liebhabern seit Jahrzehnten aus Spanien bringen, in Wien bekommt man ihn nicht, hier schon gar nicht, in dieser schauerlichen Gegend. Da du nicht katholisch bist, sagte sie lachend, gehst du auch nicht mehr in die Kirche. Also gehst du überhaupt nicht mehr an die frische Luft. So verkommst du und stirbst. Mit Vorliebe hatte sie in letzter Zeit immer wieder zu mir gesagt: du stirbst . Das durchbohrte mich jedesmal, obwohl ich mir sage oder wenigstens einrede, daß ich nichts gegen mein Sterben habe. Und ich habe ihr das oft gesagt, was sie wiederum nur eine kindische Koketterie nannte. Freilich wäre es vernünftig, frische Luft einzuatmen, aber jetzt ist ja hier überhaupt keine frische Luft, nur eine teuflische, dicke, stinkende, die außerdem von der Chemie der nahen Papierfabrik völlig vergiftet ist. Und manchmal denke ich, ob nicht die Luft von der Papierfabrik so stark vergiftet ist, daß sie für mich tödlich ist, auf die Dauer, daß ich schon jahrzehntelang diese von der Papierfabrik vergiftete Luft einatme, gibt mir aufeinmal zu denken und es gab mir auch an diesem Abend nach der Abreise meiner Schwester zu denken, ob nicht meine Unfähigkeit, meine Arbeit anzufangen, überhaupt meine Krankheit und mein absehbarer Tod auf diese von der Papierfabrik vergiftete Luft zurückzuführen ist. Der Mensch erbt einen Besitz von seinen Eltern und glaubt dann, das ganze Leben auf diesem Besitz sitzenbleiben zu müssen bis er stirbt und er merkt nicht, daß er so früh stirbt, weil die nahe Papierfabrik Tag und Nacht die Luft, die er einatmet, vergiftet. Ich ließ mich aber auf diese Spekulation nicht ein und trat wieder hinaus in das Vorhaus. Beim Anblick jenes Winkels, in welchem wir, wie wir Kinder waren, einen Hund gehalten haben, hatte ich denken müssen, wenn ich mir wenigstens einen Hund halten würde. Aber ich habe Hunde, seit ich erwachsen geworden bin, immer gehaßt. Und wer versorgteeinen solchen Hund und wie sollte der Hund aussehen, was für ein

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