Betrogen
liegen, ignorierte die Telefonnotizen, die ihm eine hartnäckige Sekretärin immer wieder unter die Nase hielt und tat so, als sähe er den blinkenden Ikon auf seinem Monitor nicht, der ihn an seine E-Mails erinnerte. Statt dessen knurrte er in den Telefonhörer: »Dann fang mal ganz von vorne an und erzähl mir, was passiert ist.«
Es war schlimmer, als er befürchtet hatte. »Melina hat euch durchschaut?«
»Entweder das, oder sie interessiert sich nicht fürs FBI.«
Bruder Gabriel höchstpersönlich hatte diesen Schlägertypen für seine Dienste angeworben, getauft, in seine Elitearmee aufgenommen und nach dem alttestamentarischen Krieger Joshua benannt. Seinen wahren Namen kannte Jem nicht. Den wusste niemand. Der Mann hatte schon unter so vielen Pseudonymen agiert, dass er vermutlich selbst seinen echten Namen vergessen hatte.
Joshua hatte sich in Haiti ausgezeichnet, wo er für Duvalier die Drecksarbeit erledigte. BlutvergieÃen scheute er nicht, ja,
er hatte sogar eine gewisse Vorliebe dafür. Seine zweite Vorliebe galt Bruder Gabriel, den er anbetete. Bruder Gabriel hatte sich Joshuas unverbrüchliche Liebe und Treue erworben, als er seinen Bruder, einen weiteren Söldner, aus einem malayischen Gefängnis befreite. Für Bruder Gabriel ginge Joshua durchs Feuer.
Jem hatte Verständnis für seine Loyalität, bewunderte die tödliche Meisterschaft dieses Mannes und war froh, dass er in ihrem Team mitmachte. Trotzdem hätte er ihn jetzt erwürgen können.
Als Beweis für Melinas Abneigung gegenüber dem FBI habe er eine Beule an der Schläfe, klagte Joshua. »AuÃerdem glaube ich fast, dass mein Handgelenk gebrochen ist. Keine Ahnung, was sie auf unsere Spur gebracht hat.«
»Ihr musstet ja auch die Dienstausweise über Nacht besorgen.«
»Aber es sind die besten, die man für Geld bekommt«, widersprach Joshua. »Der echte Tobias hätte sie nur mit Mühe als Fälschung identifizieren können.«
»Dann muss es eine Bemerkung von euch gewesen sein.« Jem hatte sich von Joshua den Ablauf Schritt für Schritt und Wort für Wort berichten lassen. »Das ist es, du Knallkopf«, zischte er, als Joshua zu der Stelle mit Pattersons Flug von D.C. kam. »Er sollte doch aus dem Büro in Dallas kommen.«
»Das hast du mir nicht gesagt.«
»Natürlich habe ich das.«
»Hast du nicht«, beharrte Joshua kühl.
»Damit habt ihr ihr jedenfalls den Tipp gegeben.«
Joshua beschrieb den Kampf. »Kaum waren wir wieder bei Besinnung, sind wir verduftet.«
»Und von Melina oder Hart war nichts zu sehen?«
»Die sind abgehauen. Ihr Auto war weg.«
Joshua hatte versagt und Hart nicht neutralisiert. Er hatte Melina verschwinden lassen. Vielleicht hatte ein Ãbermaà an spiritueller Indoktrination bei ihm zu Gehirnerweichung geführt.
Welche Erklärung gäbe es sonst, dass er seine beiden letzten Missionen verpfuscht hatte, und das ordentlich?
Genau dieses Risiko geht man ein, wenn man formbare Leute verwendet. Wer sich leicht manipulieren lässt, ist meistens kein Geistesriese, wie z.B. Dale Gordon. In wissenschaftlichen Dingen war er genial und dem GroÃen Plan unerschütterlich ergeben. Aber nachdem er seinen Zweck erfüllt hatte, wurde er überflüssig. Unglücklicherweise hatte der Dummkopf in seiner Wohnung nicht sämtliche Fotos und Daten über Gillian vernichtet. Damit war die Klinik in die Ermittlungen geraten.
Einen solchen Fehler hätte Jem Hennings nicht gemacht, den es noch immer wurmte, dass Bruder Gabriel ohne Rücksprache mit ihm Gillians Ermordung und Gordons Selbstmord befohlen hatte. Der Anblick ihrer Leiche in ihrem Haus hatte ihn ehrlich schockiert. Die Schrift an der Wand hatte ihm den ersten Hinweis geliefert, dass ihre Eignung für den GroÃen Plan fraglich geworden war. Aber erst, als er während des Termins mit Lawson hörte, wie Christopher Hart Dale Gordon beschrieb, war ihm klar geworden, was passiert war und warum.
Bruder Gabriel traf kein Vorwurf, er war perfekt. Die Schuld lag allein bei Gordon, der seinen Auftrag nicht ausreichend durchdacht hatte und sorgfältiger hätte vorgehen müssen. Gordon, du verdammter Idiot, dachte er nun. Wenn ihm dieses Versehen nicht unterlaufen wäre, müsste sich Jem nun nicht mit einem zweiten Unfähigen herumschlagen.
»Joshua, du hast mich
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