Betrogen
Können Sie wieder zuhören?«
Beleidigt nahm sie wieder auf dem Bett Platz und verschränkte die Arme vor der Brust. Auf seine höfliche Frage, ob er ihr noch etwas zu trinken einschenken könne, schüttelte sie den Kopf. »Na schön«, hob er an, »dann wollen wir mal alle Karten auf den Tisch legen und schauen, ob sich daraus ein Sinn ergibt. Einverstanden?«
»Warum tun Sie das?«, wollte sie wissen. »Damals im Polizeipräsidium haben Sie doch klar zum Ausdruck gebracht, dass Ihnen jede Verwicklung in diese Sache gegen den Strich geht, dass Sie ein unbeteiligter Zuschauer sind und sich lieber gestern als heute zurückziehen möchten.«
»Anfänglich habe ich so gedacht. Ich wollte mich nicht in ein Schlamassel hineinzerren lassen, an dem ich nicht schuld war. Sie haben voll und ganz Recht: Das war egoistisch von mir. Mittlerweile denke ich anders darüber.«
»Warum dieser plötzliche Sinneswandel? Weil Ihr eigenes Leben in Gefahr ist? Gewissensbisse?«
»Na schön, Melina, geben Sieâs mir ruhig ordentlich, ich habâs verdient. Ich habe mich wie ein Arschloch benommen.«
»Sie weichen aus.«
Er zögerte, ehe er leise sagte: »Ãber den Grund für mein Hiersein möchte ich nicht reden.«
»Hat es etwas mit Gillian zu tun?«
»Teilweise. GröÃtenteils.« Weiter erklärte er nichts, aber Gott sei Dank akzeptierte sie seine Kurzversion.
»Was sonst noch?«
»Meiner Ansicht nach hat Gillians Mörder heute Abend auch mich umzubringen versucht. Egal, wer es war.« Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit. Sie hörte zu. Die feindseligen Schwingungen, die sie aussandte, waren deutlich schwächer geworden. »Zumindest hat man mich so weit gebracht, dass ich mit einem neuen Mordversuch rechne. Vielleicht ist das aber auch nur eine Einschüchterungstaktik.«
»Also geben Sie zu, Angst zu haben.«
»In erster Linie bin ich stinksauer. Vielleicht geht da nur mein Injun-Blut mit mir durch, aber wer mich im Dunkeln überfällt und versucht, mich zu entführen, und mir sagt, ich müsse sterben, der muss mit einer ordentlichen Abreibung rechnen.«
Nach kurzem Nachdenken hob sie hilflos die Hände. »Aber Gillians Mörder ist tot, Chief.«
»Geben Sie sich damit zufrieden, dass Dale Gordon auf eigene Faust gehandelt hat?«
»Es klingt vernünftig.«
»Und warum waren Sie dann gestern Abend bei seiner Wohnung?«
Vor Erstaunen öffnete sie stumm die Lippen.
»Ich bin selbst dort vorbeigefahren«, gestand er. »Es war noch immer alles abgesperrt. Trotzdem bin ich in der Hoffnung dort gewesen, anschlieÃend wäre ich überzeugt, allein dieser kranke Wichser sei für Gillians Ermordung verantwortlich.
Ich habe Sie in Ihrem Auto sitzen sehen. Sie waren so in den Anblick dieses gespenstischen Ortes versunken, dass Sie mich im Vorüberfahren nicht einmal bemerkt haben. Sie da zu sehen gab meinem Gefühl Auftrieb, dass Lawson irgendetwas übersehen hat. Dahinter steckt mehr als nur dieser einzelne klägliche Irre.«
»In derselben Hoffnung bin ich auch hingefahren«, gestand sie. »Auf einen Geistesblitz, ein Gefühl, dass jetzt endgültig Schluss ist. Irgend so etwas.«
»Und wie ist es ausgegangen?«
»Wie bei Ihnen, Chief. Da muss mehr dahinter stecken. Meiner Meinung nach hat dieses armselige Wesen nicht aus freien Stücken gehandelt. Wenn ja, dann hat man ihn dahingehend manipuliert.«
»Sie glauben also, irgendjemand wusste, dass er von Gillian besessen war, und hat dieses Wissen benutzt, um ihn zum Mord anzustiften?«
»So etwas Ãhnliches.« Frustriert drosch sie mit den Fäusten auf die Matratze. »Aber wer? Warum? Gillian hatte keine Feinde.«
Er trank den letzten Schluck. Weder der Alkohol noch die Schmerztablette hatten das dumpfe Pochen in seiner Gesichtshälfte auch nur einen Deut verringert. Er konnte spüren, wie sein Auge trotz des Eisbeutels anschwoll. Da er nichts half, legte er ihn beiseite.
»Da wären diese Männer, die sich mit mir getroffen haben â Indianer.« Er erzählte ihr von den beiden Treffen mit Dexter Longtree und George Abbott. Kommentarlos hörte Melina zu.
»Abbott ist ein Ja-Sager, aber Longtree ist ein Häuptling und sieht auch so aus. Er hat einen Sitz in einem landesweiten Stammesrat und verfügt offensichtlich über jede Menge
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