Betrogen
hat Sie getroffen, Sie fühlten sich beide körperlich zueinander hingezogen. Und haben sich so verhalten.«
»Eine ziemlich gute Zusammenfassung.«
»Sie war kein Teil einer groÃen Verschwörung. Sie handelte weder auf Anweisung von Longtree noch von sonst jemand.«
»Sie haben Recht.« Seufzend erhob er sich und lieà sich schwerfällig wieder in den Sessel fallen. »Ich weiÃ, dass Sie Recht haben. Ich hatte nie den Eindruck, sie versuche, mich hereinzulegen. Ich habe nur im blinden Nebel herumgestochert.« Geistesabwesend zog er sein Hemd aus dem Hosenbund und begann, sich den Bauch zu reiben. »Und was machen wir jetzt?«
»Haben Sie Hunger?«
»Was?« Erst jetzt merkte er, dass sie seine unbewusste Geste
wahrgenommen hatte, und meinte: »Nein, Hunger habe ich keinen, nur blaue Flecken.« Er knöpfte sein Hemd auf. Bei genauerem Hinsehen zeigten sich auf seinem Oberkörper über den Rippen und darunter einige dunkle Stellen.
Als er den Kopf hob, ertappte er sie dabei, wie sie ihn aufmerksam musterte. »Sie haben Prellungen.«
»Ist nicht so schlimm.«
»Gillian hat mir erzählt, Sie seien schön.«
Er schluckte heftig. »Was?«
»âºSchönâ¹ hat sie gesagt. Genau diesen Ausdruck hat sie verwendet.«
Darauf wusste er nun wirklich nichts mehr zu sagen. Nichts. Kein einziges Wort.
Ihre Augen blieben ungefähr auf der Höhe seiner Gürtelschnalle hängen, was ihn ungewöhnlich verlegen machte. Das Bewusstsein, dass sich Gillian mit ihr über die Begegnung mit ihm unterhalten hatte, verursachte ihm Unbehagen. Wenn er doch nur wüsste, was ihr Gillian erzählt hatte, und wie detailliert ihr Gespräch gewesen war. Wenn es um Vertraulichkeiten aus dem eigenen Liebesleben ging, gab es doch sicher auch zwischen Schwestern Grenzen, sogar bei identischen Zwillingen.
Melina hatte ihn wegen seiner Neugierde als kindisch bezeichnet. Trotzdem hätte er viel für das Wissen gegeben, wie er bei Gillian bestanden hatte. Toll? Schlecht? Oder â das Todesurteil, wenn es um Noten im Bett ging â ganz nett?
Nach einer halben Ewigkeit hob sie den Blick von seiner Taille und schaute ihm direkt in die Augen. Er spürte, wie sein Gesicht warm wurde. Das hatte ihr Gillian doch sicher nicht erzählt? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie sie sagte: »Ich habe ihm einen geblasen.«
Sein Gehirn fühlte sich von dieser erotischen Erinnerung magisch angezogen, der ersten von vielen, zu denen es in jener Nacht gekommen war. Da war sie wieder an den Rändern seines Bewusstseins, flirtete mit ihm, quälte ihn und erregte ihn gegen seinen Willen.
Aber Melina hatte ihn etwas gefragt, und er wusste, dass er antworten musste.
»Lawson?« Was hatte sie über den Kommissar gesagt?
»Sie haben sich vorher ironisch über seine Begriffsstutzigkeit geäuÃert.«
»War auch so gemeint«, sagte er, dankbar für die Ablenkung. »Vermutlich ist er ganz in Ordnung und ein einigermaÃen guter Ermittler. Meiner Meinung nach ist er an diesen Fall mit guter Absicht herangegangen. Aber er hat viel um die Ohren, ist überlastet und unterbezahlt. Je schneller er einen Fall abschlieÃen kann, umso besser. Er hat den Nominalwert des Beweismaterials akzeptiert.«
»Beweise, die ein bisschen zu sehr passten.«
»Genau das denke ich auch. Für einen, der eben erst seine totale psychische Kernschmelze erlebt und eiskalt einen Mord begangen hat, war Dale Gordon auffallend gut organisiert. Es sieht so aus, als hätte er sämtliches Beweismaterial so arrangiert, dass selbst ein Volltrottel ihn für den Mörder halten musste.«
Das Eis im Beutel hatte sich in einen Brei verwandelt, bot aber bei erneutem Auflegen noch immer ein gewisses Maà an Kühlung. Doch dann versetzte ihm Melina einen verbalen Aufwärtshaken.
»Na ja, vielleicht wird ja das FBI ein wenig Licht in dieses Rätsel bringen.«
Er lieà den Eisbeutel fallen. »Sie haben beim FBI angerufen?«
»Nein, die bei mir. Sie werden um neun Uhr hier sein.« Rasch warf sie einen Blick auf die Nachttischuhr. »Sie können gerne bleiben.«
20
»Sie hat mich angelogen.«
Als Bruder Gabriel diesen aufgeregten Satz über den Lautsprecher hörte, runzelte er die Stirn. Prinzipiell konnte er Anrufe zu nachtschlafender Zeit nicht ausstehen, es sei denn angekündigte.
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